Deutschland schlechtes Vorbild in Europa

utigen Eckwertebeschluss der Bundesregierung fuer den Bundeshaushalt 2012 und die Finanzplanung 2015 erklaert der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Carsten
Schneider:

Die Bundesregierung legt ihren dritten Haushaltsentwurf in dieser Wahlperiode nach einem neuen Verfahren, dem sogenannten top-down-Verfahren, vor. Dieses Verfahren ist grundsaetzlich geeignet, die Konsolidierung der Staatsfinanzen zu unterstuetzen und deshalb ausdruecklich zu begruessen.

Es ist dagegen zu kritisieren, dass die Bundeskanzlerin und der Finanzminister, die in Bruessel gern als Sparmeister Europas auftreten und den Mitgliedslaendern drastische Einschnitte in ihre Haushalte und die Einfuehrung von effektiven Schuldenschranken abverlangen, zu Hause die eigenen Verfassungsvorgaben mit Fuessen treten. Wenn man die Schuldenbremse im Grundgesetz ernst nehmen wuerde, duerfte Finanzminister Schaeuble bis 2015 rund 39 Milliarden Euro weniger Schulden machen.

Durch eine willkuerliche Festlegung des Ausgangspunktes fuer den Abbaupfad fuer die strukturelle Verschuldung (29 Milliarden
Euro) und durch die Nichtbeachtung verbindlicher europaeischer Vorgaben fuer die Berechnung der konjunkturellen Verschuldung (zehn Milliarden Euro) wird die noch sehr junge Schuldenregel im Grundgesetz von Finanzminister Schaeuble ausgehoehlt und nachhaltig beschaedigt. Den Preis dafuer zahlt vor allem die junge Generation in Deutschland. Die SPD hat deshalb eine Gesetzesinitiative gestartet, zu der am kommenden Montag eine oeffentliche Anhoerung im Haushaltsausschuss stattfinden wird.

Es ist weiter zu kritisieren, dass Finanzminister Schaeuble die bessere konjunkturelle Entwicklung nicht fuer eine zuegigere Konsolidierung des Haushaltes nutzt – so wie es die neue verfassungsrechtliche Schuldenregel vorschreibt. Danach duerfen konjunkturelle Mehreinnahmen nicht zur Finanzierung neuer, dauerhafter Ausgaben genutzt werden. Genau das macht aber diese Koalition. Wuerden allein die besseren Steuereinnahmen von rund zehn Milliarden Euro und niedrigeren Arbeitsmarktausgaben von rund 3,5 Milliarden Euro verwendet um die Neuverschuldung zu senken, duerfte Finanzminister Schaeuble im kommenden Jahr hoechstens rund 26 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen – wohlgemerkt ohne jede Sparanstrengung. Im heutigen Eckwertebeschluss ist dagegen fuer 2012 eine Neuverschuldung von
31,5 Milliarden Euro vorgesehen. Bis zum Jahr 2015 summieren sich diese Differenzen zwischen konjunkturell moeglicher Rueckfuehrung der Neuverschuldung und den Zahlen der Eckwerte fuer den Finanzminister auf rund 20 Milliarden Euro.

Mit diesen zusaetzlichen Schulden stellt Finanzminister Schaeuble den Kitt zum Zusammenhalt der Koalition zur Verfuegung. Die FDP, die sich vor zwei Wochen ueber den gelockerten Sparkurs fuer den Verteidigungsminister beschwert hatte, wurde mit zusaetzlichen Ausgaben fuer ihre Minister ruhig gestellt. Beim Verteidigungsminister ist dagegen alles unveraendert geblieben. Insgesamt sieht der Eckwertebeschluss Mehrausgaben oder Umschichtungen von rund 35 Milliarden Euro gegenueber der bisherigen Finanzplanung vor. Dabei ist die Aufloesung der Globalen Minderausgabe aus dem Sparpaket, die sich inzwischen auf fast zehn Milliarden Euro aufwaechst, noch nicht beruecksichtigt.

Neben dem unklaren Einsparbetrag der Bundeswehr gibt es mit als Effizienzverbesserungen verbraemten noch nicht absehbaren Kuerzungen bei der Bundesagentur fuer Arbeit, der Finanztransaktionssteuer und der Kernbrennstoffsteuer weitere erhebliche Luftbuchungen in der Finanzplanung der Bundesregierung. Mit dem Kurswechsel der Bundeskanzlerin bei der Verlaengerung der Laufzeiten fuer die Atomkraftwerke wird nun die haessliche Seite des Deals mit den Kraftwerksbetreibern
offenbar: durch die Bindung der Steuerzahlungen an die Laufzeitverlaengerung droht ein Haushaltsrisiko aus Steuermindereinnahmen und Mehrausgaben bei den Investitionen.
Die Investitionen und die Investitionsfoerderung werden dabei hoeher ausfallen muessen, wenn die Erneuerbaren Energien die Atomkraft nun schneller ersetzen sollen. Diese Leistungen der AKW-Betreiber drohen nun auf die Steuerzahler abgewaelzt zu werden.

Die Finanzplanung der Bundesregierung ist auf Sand gebaut. Frau Merkel und Herr Westerwelle haben dem politischen Ueberleben der Koalition die Konsolidierung der Staatsfinanzen geopfert. Die Koalition steht heute vor dem Scherbenhaufen ihrer Politik.

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