Zugegeben, kurz und mittelfristig
orientierte Finanzinvestoren zu finden, fällt derzeit keinem
Euro-Krisenland schwer: Angesichts des Niedrigzins-Umfelds in der
europäischen Währungsunion, in den USA und Japan suchen risikobereite
Investoren geradezu verzweifelt nach Anlagen, die höhere Renditen
abwerfen – umso mehr, als viele Anleger im Zuge der strafferen
US-Geldpolitik Kapital in großem Stil aus Schwellenländern
Südamerikas und Asiens abziehen.
Diese Chance konnte sich die griechische Regierung einfach nicht
entgehen lassen. Nicht, weil sie das Geld dringend bräuchte – dank
des zweiten Hilfsprogramms ist der Staatshaushalt für 2014 und 2015
durchfinanziert. Aber die schwarzrote Koalitionsregierung in Athen
sieht sich wegen ihrer harten Sparpolitik heftigem Widerstand der
Opposition und weiter Teile der Bevölkerung ausgesetzt. In Umfragen
hat die linksextreme Anti-Reform-Partei Syriza die bislang führende
konservative Regierungspartei überholt. Da muss die Regierung vor den
Europawahlen dem Volk aufzeigen, dass Hellas kein drittes Hilfspaket
ab 2016 benötigt, auf dem Weg zu einem normalen, autarken Staat ist,
der nicht mehr unter dem Kuratel ausländischer Geldgeber stehen wird,
die mit harten Sparauflagen das Land vor eine Zerreißprobe stellen.
Dafür ist Athen bereit gewesen, den privaten Investoren höhere
Zinsen zu zahlen als die drei Prozent, die es der Troika aus den
Euro-Mitgliedsstaaten, der EZB und dem IWF bezahlt. Dass bei der
gestrigen Rückkehr an die Kapitalmärkte nun eine Rendite von nur 4,75
Prozent fällig wird, dürfte selbst Athen überrascht haben.
Aber ist das wirklich der „unzweifelhafteste Beweis für das
Vertrauen der Finanzmärkte in die griechische Wirtschaft“, wie
Finanzminister Stournaras gestern behauptete? Sicher, Griechenland
hat Fortschritte gemacht: 2013 hat es – die Schuldzinsen ausgenommen
– einen Primärüberschuss erwirtschaftet. Die Steuerflucht ist
eingedämmt, die Leistungsbilanz ausgeglichen. Die Banken sind
rekapitalisiert. Und es sieht ganz danach aus, als würde das Land
2014 nach sechs Jahren aus der Rezession kommen.
Ob diese Erfolge nachhaltig sind, ist aber offen. Obwohl die Löhne
seit 2008 um rund ein Drittel gefallen sind und damit die
Wettbewerbsfähigkeit deutlich gestiegen ist, sind die Exporte noch
schwach, ist die Industrie-Auslastung gering. Die Arbeitslosigkeit
liegt bei 28 Prozent, und das Land kämpft mit einer Deflation. Vor
allem aber sind die Staatsschulden, die – aufgrund der um ein Viertel
geschrumpften Wirtschaftsleistung – bei 180 Prozent liegen, nicht
tragfähig. Zwar geht die EU davon aus, dass die Schuldenquote bis
2020 auf 124 Prozent sinken wird – aber die dabei unterlegten
Wachstumsraten erscheinen nicht realistisch.
Dass alles muss die privaten Investoren, die gestern zugeschlagen
haben, allerdings nicht sehr beunruhigen. Nach dem Schuldenschnitt
vor zwei Jahren sind die Staatsschulden fast nur noch öffentlicher
Natur und haben eine Restlaufzeit von 17 Jahren – und dass die Troika
die Zinsen weiter senken und die Laufzeit weiter verlängern will,
zeichnet sich ab. Und dann ist da ja auch noch die EZB, die
versprochen hat, alles zu tun, was nötig ist, um den Euro zu retten.
Letztlich demonstriert die 4,75-Prozent-Rendite also weniger das
Vertrauen in die griechische Wirtschaft als in den Handlungswillen
Europas.
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