FT: Kommentar Flensburger Tageblatt zu RWE-Klage

Kommentar zu RWE-Klage gegen Atomausstieg

Lange hat die Atomwirtschaft nicht stillgehalten. Nur zwei Wochen
nachdem Kanzlerin Merkel die dreimonatige Stilllegung von sieben
Kernkraftwerken verkündet hat, sucht der erste Konzern Streit. RWE
hat Klage gegen das Abschalten seines Reaktors Biblis A eingereicht.
Mag das Vorgehen schlecht fürs Image sein, rechtlich ist es
begreiflich. Die Manager fürchten ihrerseits Klagen der Aktionäre,
wenn sie nicht alles tun, um wirtschaftlichen Schaden abzuwenden –
und sei es, sich völlig unbeliebt machen. Immerhin verspricht die
Anfechtung Erfolg, da Experten die vom Bund gewählte Rechtsgrundlage
für das Moratorium anzweifeln.

In jedem Fall ist die Klage von RWE ein Vorgeschmack auf das, was
noch auf die Koalition zukommen wird, nicht zuletzt durch eigenes
Verschulden. Will sie das Atomzeitalter tatsächlich schneller beenden
als einst von Rot-Grün geplant – und solche Stimmen mehren sich -,
dann muss sie sich auf harte Gegenwehr gefasst machen. Auch Eon
dürfte dann nicht mehr stillhalten. Denn ein früheres Abschalten der
Meiler ist ein erheblicher Eingriff in die Eigentumsrechte der
Betreiber, der durch die fahrlässige schwarz-gelbe
Laufzeitverlängerung übrigens nicht kleiner geworden ist. Selbst
Schröder und Trittin mussten für ihren Atomausstieg einen Vertrag mit
den Versorgern schließen und zähneknirschend Laufzeiten bis nach 2020
akzeptieren. Erst dann sind die neuesten Reaktoren 32 Jahre gelaufen
– und erst dann hielt man damals deren Stilllegung für
eigentumsrechtlich zulässig.

Es gibt noch einen anderen Weg zur Laufzeitverkürzung, aber auch
der ist justiziabel. Die Regierung kann die Sicherheitsauflagen so
sehr verschärfen, dass sich Nachrüstung und Weiterbetrieb der
Reaktoren nicht mehr lohnen. Doch auch diese Schutzvorschriften
müssen rechtsstaatlichen Grundsätzen wie der Verhältnismäßigkeit
genügen. Zwar ist es gut möglich, dass die Gerichte dem Staat hier
nach Fukushima großzügigen Spielraum geben. Doch gewiss ist das
nicht. Viel Streit ist damit programmiert – so wünschenswert ein
schneller Ausstieg wäre.

Autor: Henning Baethge

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