Ein Untersuchungsausschuss, der in großer
Einmütigkeit von allen Parteien im Parlament eingesetzt wird – kann
das gut gehen? Schließlich ist ein solcher Ausschuss das klassische
Instrument der Opposition, um der Regierung an den Karren zu fahren,
vermeintliche oder tatsächliche Missstände aufzudecken oder
zurückliegende Skandale aufzuarbeiten – und natürlich auch
entsprechend politisch auszuschlachten. Für die Einsetzung eines
Untersuchungsausschusses reicht deshalb die Zustimmung von einem
Viertel der Bundestagsmitglieder. Wenn nun alle Abgeordneten
zustimmen, heißt das etwa, es gebe nichts aufzudecken, weil alle
Parteien ein reines Gewissen haben?
Keineswegs. Eher könnte es so sein, dass Opposition und Regierung
jeweils darauf lauern, sich gegenseitig Fehler und Versäumnisse in
der Bekämpfung des Neonazi-Terrors nachweisen zu können. Grund dafür
hätten sie leider genug. Denn in dieser Frage haben sich über Jahre,
wenn nicht gar Jahrzehnte hinweg Regierungen aller Farbkombinationen
und natürlich auch die von ihnen beaufsichtigten Behörden nicht mit
Ruhm bekleckert. Das reicht von der rot-grünen Bundesregierung unter
Schröder, in deren Amtszeit die meisten der Neonazi-Morde fielen, bis
hin zur CSU, die allem Anschein nach schon nach dem verheerenden
Oktoberfest-Attentat 1980 nicht mit der nötigen Konsequenz in der
rechten Szene nach weiteren Hintermännern ermitteln ließ.
Doch mit gegenseitigen Schuldzuweisungen ist es bei weitem nicht
getan. Wenn die beiden Ausschüsse im Bund und in Thüringen ihre
Arbeit ernst nehmen, wenn sie öffentlich tagen, uneingeschränkt
Einsicht in Akten erhalten und jenseits von Parteiengezänk die
Aufklärung vorantreiben, dann kann von ihnen die Wirkung eines
reinigenden Gewitters ausgehen; im Idealfall durchleuchten sie
schonungslos die haarsträubenden Pannen und Fehlschlüsse von
Verfassungsschützern und Kriminalämtern – und können so auch für
künftige Fahndungen eine wertvolle Hilfe sein. Das sind alle
Beteiligten nicht nur der Öffentlichkeit schuldig, sondern vor allem
den Angehörigen der Opfer jener beispiellosen Mordserie.
Dass sich auch in der gesellschaftlichen Wahrnehmung der
rechtsterroristischen Gefahr etwas ändern muss, steht außer Zweifel –
ist aber nicht die erste Aufgabe eines Untersuchungsausschusses. Es
reicht, wenn er sich auf die vielen Ungereimtheiten der
Ermittlungsarbeit konzentriert. Da wird er genug zu tun haben – und
kann zugleich Druck auf den sächsischen Landtag ausüben, der sich
bezeichnenderweise noch gegen die Einsetzung eines entsprechenden
Gremiums sträubt.
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Fuldaer Zeitung
Johannes Heller
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