Ein Kommentar von Egbert Nießler
Vielleicht wäre es rein rechtlich korrekt gewesen, nur den
Haushaltsausschuss mit den Änderungen am Euro-Rettungsschirm zu
befassen. Schließlich hatten ja die Parlamenta?rier bereits Ende
September ihre prinzipielle Zustimmung zum EFSF gegeben. Und manche
Kritiker einer neuerlichen Abstimmung führen die Zeitnot ins Feld,
unter der die Währungsretter leiden. Wichtiger aber, als zu einem
schnellen Ergebnis zu kommen, ist es, ein solides zu erreichen. Dazu
gehört auch, dass die Kanzlerin morgen Abend mit einer breiten und
sicheren Mehrheit zum Teil zwei des Rettungsgipfels fährt. Ohne klare
Legitimierung könnte sie dort keinem Beschluss zustimmen. Und dass es
eben nicht nur um Änderungen im Detail an einem komplizierten,
finanztechnischen Konstrukt geht, beweisen schon die Vokabeln, die
mittlerweile im Spiel sind: Der sogenannte Hebel, mit dem die Wirkung
des Rettungsschirms potenziert werden soll, firmiert auch unter
Teilkasko-Lösung, weil die Gläubigerländer nur für einen Sockelbetrag
der dann aufgestockten Rettungsmilliarden einstehen müssten. Europa
ist also längst zum Versicherungsfall geworden. Schadenseintritt
nicht ausgeschlossen. Vollkasko mangels Masse unmöglich. Und längst
geht es nicht nur um Griechenland oder die Gemeinschaftswährung.
Außer Portugal stehen auch die europäischen Schwergewichte Spanien
und Italien im Kreuzfeuer der Finanzmärkte, und der
deutsch-französische Motor der Gemeinschaft droht nicht nur ins
Stottern zu geraten, sondern Totalschaden zu erleiden. Die Folgen
wären unabsehbar. Ein Zerfall der Gemeinschaft träfe die Exportnation
Deutschland ganz besonders und ganz sicher mehr, als jede Anstrengung
zu deren Rettung an Risiken und Kosten mit sich bringt. Es wird also
über Fragen zu entscheiden sein, die nicht nur das Haushaltsrecht des
Parlaments berühren, sondern die Zukunft Europas und damit unseres
Wohlstandes und unserer Sicherheit. Und das sollte schon mal einen
Bundestagsbeschluss außer der Reihe wert sein. Zumal er erneut zeigen
wird, ob die Kanzlern die eigenen Leute noch hinter sich hat.
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