HAMBURGER ABENDBLATT: Inlandspresse, Hamburger Abendblatt zu Guttenberg und Bundeswehr

Militärs neigen von Berufs wegen zur
Geheimniskrämerei. Eine Armee kommt nicht ohne Hierarchie, Befehl und
Gehorsam aus und neigt zu ausgeprägtem Eigenleben. Demokratische
Gesellschaften erwarten unbedingte Offenheit sowie Diskussion und
Überzeugung. Ein Spannungsfeld, in dem noch jeder
Verteidigungsminister der Bundesrepublik seine Schwierigkeiten bekam
– und mancher stürzte. Immer wieder erweist sich der
Informationsfluss zwischen militärischer Führung und ziviler
Ministerialbürokratie als Schwachstelle, kommen wichtige
Informationen zu spät oder unvollständig beim Minister an. So scheint
es auch in der aktuellen Skandaltrilogie Guttenbergs aus „Gorch
Fock“, Waffenunfall und geöffneter Feldpost zu sein. Personelle
Konsequenzen in der Truppe zu ziehen, wie es Guttenberg schon in der
Kundus-Affäre mit Generalinspekteur Schneiderhahn und jetzt mit dem
Kapitän der „Gorch Fock“ getan hat, verschafft ihm zunächst etwas
Luft und demonstriert Entschlossenheit. Es muss auch nicht unbedingt
verkehrt sein, einen betroffenen Offizier aus der Schusslinie der
öffentlichen Aufmerksamkeit zu ziehen. Das grundlegende Problem
bleibt aber eine Neuordnung der Informationsstränge und der
Informationskultur in der Truppe und im Ministerium. Die derzeit
laufende Bundeswehrreform bietet die Chance, hier weiterzukommen. Und
sie macht zugleich entschiedenes Handeln noch nötiger als bisher,
denn eine Berufsarmee neigt aus sich heraus nicht zu mehr
Transparenz. Andererseits gibt es offensichtlich auch noch ein
generelles Problem. Die Bundeswehr und ihr Auftrag sind heute zwar
überwiegend gesellschaftlich anerkannt. Aber immer weniger Menschen
scheinen sich der Folgen militärischen Handelns bewusst zu sein.
Kadetten etwa, die sich über Hängematten und hierarchische Zustände
an Bord eines Schiffes beschweren, kann nur mehr Sorgfalt bei der
Berufswahl empfohlen werden. Und nicht alles, was bei der Bundeswehr
nach ersten Meldungen wie ein Skandal aussieht, verdient diesen Titel
noch am Ende eingehender Untersuchungen. Ein Dutzend – möglicherweise
von zivilen Vertragspartnern – unrechtmäßig in Afghanistan geöffneter
Briefe könnte in diese Kategorie fallen. Hier hätte der Minister die
Pflicht und die Möglichkeit, sich vor die Truppe zu stellen und
Realismus sowie Besonnenheit einzufordern. Auch auf die Gefahr hin,
dem eigenen Lack ein paar Kratzer zuzufügen.

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