Die SPD habe die Turbulenzen um Thilo Sarrazin
noch nicht beendet, trotz der raschen Entscheidung der Berliner
Schiedskommission, das umstrittene Mitglied in der Partei zu
belassen, schreibt die SPD-Politikerin und frühere Staatssekretärin
im Bundesinnenministerium Cornelie Sonntag-Wolgast in einem
Namensbeitrag für das Hamburger Abendblatt (Montag-Ausgabe). Die
Parteiführung hätte besser daran getan, „sich mit einer scharf
formulierten Distanzierung zu begnügen“. Denn zum einen seien die
Hürden für einen Ausschluss hoch; zum andern gebe es in der
sozialdemokratischen Wählerschaft nicht wenige, die Sarrazins Theorie
von den anlagebedingten Mängeln bestimmter Zuwanderergruppen
„klammheimlich oder offen gutheißen“. Das begründe auch die
Widersprüche im Umgang der SPD mit der Ausländerpolitik. Der
Grundfehler liege in der Entscheidung, den Parteiausschluss des
ehemaligen Berliner Finanzsenators förmlich zu betreiben. Auf dem
Höhepunkt der Empörung über Sarrazin hatte Sigmar Gabriel im
vergangenen Spätsommer den Schritt mit starken Worten angekündigt.
Sonntag-Wolgast: „Er wusste sich in seiner berechtigten Erregung
nicht nur mit Spitzenpolitikern von Union, Grünen und FDP einig,
sondern mit großen Teilen der SPD.“ Dennoch sollte sich die
Sozialdemokratie nicht vor der Diskussion wegducken, so
Sonntag-Wolgast. „Viele Einwanderer – vor allem aus der ersten und
zweiten Generation – wählen immer noch SPD oder engagieren sich sogar
politisch in der Partei. Nicht wenige sind über Sarrazins leichten
Punktsieg vor der Schiedskommission verärgert.“ Jetzt sei es an der
Zeit, „mit Zeichen der Sympathie und Solidarität auf die Migranten
zuzugehen“. Sonntag-Wolgast fordert von der SPD, „sich zum Beispiel
energischer für die großzügigere Vergabe der doppelten
Staatsangehörigkeit zu engagieren“. An ihrer Partei bemängelt sie,
dass diese „ihre türkischstämmigen Leistungsträger selten als
Trumpfkarten ausspielt“. Das könnten zum Beispiel die Hamburger mit
Aydan Özoguz tun, die diesen Stadtstaat mit seinem hohen
Ausländeranteil seit anderthalb Jahren als Bundestagsabgeordnete
vertritt; auch der Reiseunternehmer Vural Öger.
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