Durchschnittlich 25 Euro Steuernachlass für
ungefilterte Diesel-Pkw pro Jahr trotz gegenteiliger Beteuerungen aus
dem Bundesumweltministerium – Norbert Röttgen zieht gegen
Betonfraktion aus CDU/CSU und Autolobby den Kürzeren – Deutsche
Umwelthilfe fordert neue Malussteuer für alle ungefilterten
Dieselfahr¬zeuge – Einnahmen vollständig für die Förderung der
Partikelfilternachrüstung verwenden
Es klingt wie ein schlechter Aprilscherz: Zum 1. April senkt die
Bundesregierung die Kfz-Steuer ausgerechnet und ausschließlich für
gesundheitsgefährdende Diesel-Pkw ohne Partikelfilter. Die
Bundesregierung wickelt trotz zunehmender Proteste der Bürger gegen
ihre falsche Energie- und Klimaschutzpolitik damit nun auch die
Luftrein¬haltepolitik der letzten zwanzig Jahre ab: Eine seit 2006
geltende Malussteuer in Höhe von 1,20 Euro pro 100 cm³ Hubraum für
Dieselstinker läuft ersatzlos aus – trotz gegenteiliger Beteuerungen
von Bundesumweltminister Norbert Röttgen, der mehrfach angekündigt
hatte, sich für eine Verlängerung der Malusregelung über den 1. April
2011 hinaus einzusetzen. Damit konnte sich Röttgen einmal mehr nicht
gegen seinen Parteifreund, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble
sowie Teilen der CDU/CSU Fraktion durchsetzen.
Mit der aktuellen Entscheidung verabschiedet sich die
schwarz-gelbe Koalition komplett von ihrem Anspruch das
schwerwiegendste Luftreinhalteproblem in Deutschland einzudämmen.
Denn schon zum Jahreswechsel hatte die Bundesregierung die
finanzielle Förderung der Nachrüstung von Pkw und leichten
Nutzfahrzeugen mit Dieselpartikelminderungssystemen eingestellt. Mit
dem doppelten Wegfall von Nachrüstförderung und Strafsteuer für
Dieselstinker entzieht die Bundesregierung den von Feinstaub und NOx
geplagten Ländern und Kommunen das wichtigste Instrument zur
Einhaltung der EU-Luftreinhalterichtlinie. Stattdessen setzt die
Koalition absurderweise finanzielle Anreize für den Kauf
ungefilterter Diesel-Pkw.
„Diese faktische Steuersubvention für ungefilterte Dieselstinker
ist so als würde man die Tabaksteuer für ungefilterte Zigaretten
streichen. Norbert Röttgen wickelt unter dem Druck der Hardliner
seiner Partei, des ADAC und der Autoindustrie die seit zwanzig Jahren
parteiübergreifend praktizierte Luftreinhaltepolitik seiner Vorgänger
ab“, sagte der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe e. V.
(DUH), Jürgen Resch. Er erinnerte daran, dass es stets ein
erfolgreich praktiziertes Lenkungsinstrument bei der Luftreinhaltung
in Deutschland war, schmutzige Motoren über die Kfz-Steuer zu
belasten, und im Gegenzug mit den Mehreinnahmen Nachrüstungen zu
fördern oder saubere Neufahrzeuge zu begünstigen. Resch: „Es ist eine
Premiere: Unter dieser Bundesregierung wird erstmals die Steuer für
besonders schmutzige Fahrzeuge gesenkt.“
Die „Rückabwicklung der Luftreinhaltepolitik“ gehe zu Lasten der
Gesundheit der von Feinstaubbelastungen besonders betroffenen
Millionen Menschen, die an verkehrsreichen Straßen in den deutschen
Ballungsräumen wohnen. Völlig unverständlich werde die Kehrtwende der
Bundesregierung, weil die EU-Kommission empfindliche Strafzahlungen
gegen Mitgliedstaaten angekündigt habe, die die geltenden Grenzwerte
der Feinstaubbelastung weiter überschreiten. Davon seien auch
zahlreiche deutsche Kommunen betroffen. Während sich dutzende von
Städten bemühen, mit der Einrichtung von Umweltzonen und anderen
verkehrspolitischen Maßnahmen die Belastung einzudämmen und die
Gesundheit ihrer Bürgerinnen und Bürger zu schützen, lässt die
Bundesregierung jegliche Form der Unterstützung auslaufen. „Bei den
Verhandlungen mit Brüssel über die Höhe von Strafzahlungen dürfte es
der Bundesregierung und insbesondere Bundesfinanzminister Wolfgang
Schäuble schwerfallen, das kontraproduktive Vorgehen zu begründen“,
erklärte Resch.
Die DUH hatte im letzten Jahr wiederholt moniert, dass die
zwischen 2006 und 2010 mit der Malussteuer eingenommenen Mittel nicht
wie vorgesehen für Gesundheits- und Klimaschutz eingesetzt wurden,
sondern zur Hälfte der Haushaltssanierung zugeführt worden waren. Zum
Jahresende 2010 stellte die Bundesregierung dann die Förderung der
Nachrüstung von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen mit Dieselrußfiltern
ganz ein. „Bis Ende 2010 wurden nicht wie versprochen 1,5 bis 2
Millionen Dieselfahrzeuge mit Partikelfilter nachgerüstet, sondern
nur weniger als die Hälfte. Auch deshalb ist die Verbesserung der
Luftqualität in den Umweltzonen nicht so vorangekommen wie
ursprünglich erhofft. Die DUH fordert eine neue Malusbesteuerung für
alle ungefilterte Diesel-Pkw und Nutzfahrzeuge“, so Resch.
Dieselruß verursacht Atemwegs- und Herz-Kreislauferkrankungen.
Allein in Deutschland sterben nach Erhebungen der
Weltgesundheitsorganisation WHO jährlich etwa 70.000, in der EU
insgesamt eine halbe Million Menschen vorzeitig infolge von
Feinstaubbelastungen. Daneben verstärken Dieselruß-Emissionen auf der
Nordhalbkugel auch den Klimawandel, weil sie sich insbesondere auf
dem arktischen Eis und den Hochgebirgsgletschern als „Grauschleier“
niederschlagen und so die Eisschmelze beschleunigen.
Pressekontakt:
Jürgen Resch, Deutsche Umwelthilfe e. V. Bundesgeschäftsführer,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin; Mobil: 0171 3649170, resch@duh.de
Gerd Rosenkranz, Leiter Politik & Presse, Deutsche Umwelthilfe e.V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 24008670, 0171 5660577,
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