Meeresforscher haben im deutschen Lizenzgebiet
des Pazifiks ein Vorkommen an Manganknollen entdeckt, mit dem
Deutschland seinen Bedarf an Buntmetallen lange decken kann. In dem
Gebiet zwischen Hawaii und Mexiko wären etwa 40 Jahre
Manganknollenbergbau möglich, schätzt die Bundesanstalt für
Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover. Zwar werde tiefer
als einen Kilometer noch kein Unterwasser-Bergbau betrieben, sagt Dr.
Michael Wiedicke-Hombach. „Aber das ist ein Zukunftsfeld für die
Wirtschaft eines exportierenden Hochtechnologielandes wie
Deutschland.“
Ist das notorisch ressourcenschwache Deutschland mit den jüngsten
Manganknollen-Funden im Pazifik nun ein Ressourcen-Krösus?
Dr. Michael Wiedicke-Hombach: Nein. In der Tat hängt die deutsche
Industrie zu 100 Prozent vom Import von Metallen ab. In Zeiten extrem
steigender Preise müssen wir uns Gedanken zu machen, wie die Lage
verbessert werden kann. Ein Weg ist, neue Lagerstätten zu
erschließen. Die Rolle, die unsere Bundesanstalt mit den
Manganknollen-Funden einnimmt, ist die, den Weg zu einer
industriellen Nutzung zu ebnen. Wir versuchen, unkonventionelle
Lagerstätten zu erkunden und dann zu erschließen. Gelingt dies im
Falle der marinen Manganknollen-Felder, erlangt Deutschland eine
größere Versorgungssicherheit. Allerdings haben wir hierzulande das
Problem, dass im Bereich Bergbau keine großen Firmen mehr aktiv sind.
Will man die Vorarbeiten, die wir hier vorantreiben, aber zum Erfolg
führen, müssen sie entsprechend verankert werden.
Das heißt, Euphorie wäre verfrüht?
Dr. Wiedicke-Hombach: Ja, weil die marinen Rohstoffvorkommen
ohnehin kaum geeignet sind, den Bergbau an Land zu ersetzen. Sie
können einen zusätzlichen Beitrag liefern, aber nicht alleine für
Versorgungssicherheit sorgen. Manganknollen bestehen aus vielen
Metallen. Welche sind wirtschaftlich so interessant, dass an
Tiefseebergbau überhaupt gedacht wird? Dr. Wiedicke-Hombach:
Interessant sind in erster Linie lediglich 3 Prozent jeder Knolle:
Kupfer, das in einem Gehalt von 1,2 Prozent vorliegt, Nickel mit 1,4
Prozent und Kobalt mit 0,2 Prozent. Das erscheint sehr wenig, ist
aber im Vergleich zu Landlagerstätten interessant. So haben die Erze,
die aus den weltgrößten Lagerstätten in Chile geholt werden, einen
Kupfergehalt von 0,6-0,8 Prozent. Und bei 1,4 Prozent liegt auch der
Gehalt der Nickelerze, die in den Tropen abgebaut werden.
Ist ein Erschöpfen der Rohstofflager an Land angesichts des
Ressourcenhungers absehbar?
Dr. Wiedicke-Hombach: Aus geologischer Perspektive: Nein.
Allerdings ist die Lage aus volkswirtschaftlicher Sicht schwieriger,
da viele Lagerstätten in politisch instabilen Regionen liegen.
Gelingt es, eine marine Versorgung aufzubauen, vermeidet man die
Abhängigkeit von politisch instabilen Partnern.
Wo finden sich die Rohstofflager der Menschheit?
Dr. Wiedicke-Hombach: Es gibt sehr viele Metalllagerstätten in
Zentralafrika, zum Beispiel im Kongo und seinen Nachbarländern. Dies
ist eine sehr instabile Region, aufgrund immer wieder aufflackernder
bewaffneter Konflikte. Russland verfügt über große Nickel-Reserven,
deren Verfügbarkeit aber politisch gesteuert wird.
Ab welchem Metallpreis lohnt sich der marine Abbau?
Dr. Wiedicke-Hombach: Wir sind bereits jetzt an der Grenze zur
Wirtschaftlichkeit. Nimmt man die aktuellen Metallpreise für Kupfer,
Nickel und Kobalt an der Londoner Börse zum Maßstab, hat eine Tonne
Manganknollen einen Wert von 500 bis 600 Euro. Die Bergungskosten
sind bisher nur hypothetisch zu benennen, weil es ja noch keinen
Abbau gibt. Nach den vorliegenden Konzepten wird hier von Kosten
zwischen 40 und 50 Euro pro Tonne ausgegangen. Die Aufbereitung von
Manganknollen wird sehr aufwändig, hier wird mit Verhüttungskosten
von 150 Euro pro Tonne gerechnet. Angesichts eines Verhältnisses von
200 Euro Kosten zu 500 Euro Ertrag müssten die Aktivitäten längst
beginnen. Es hakt derzeit wohl daran, dass Investoren einen
Risikozuschlag einkalkulieren müssen, weil es noch keine erprobte
Technologie gibt.
Erhöhen Erfolgsmeldungen wie Ihre von großen Manganknollenfunden
die Gefahr eines Wettrennens oder sogar internationaler Konflikte um
die Claims?
Dr. Wiedicke-Hombach: Ich würde sagen nein. Das deutsche
Lizenzgebiet liegt — wie die anderen — außerhalb der
200-Meilen-Zone, auf die der entsprechende Anrainerstaat ein Anrecht
hat. Alle Gebiete jenseits davon unterstehen der Internationalen
Meeresbodenbehörde auf Jamaika. Die hat den Auftrag, die Bodenschätze
der Tiefsee als „gemeinsames Erbe der Menschheit“ zu verwalten. Die
vergebenen Lizenzen schützen die Rechte des entsprechenden Landes bei
Erkundung, Erforschung und Abbau. Deutschland hat durch seine
Explorationslizenz ein Vorrecht auf den Abbau in dem Areal erworben,
könnte dies auch in absehbarer Zeit angehen. Für den Abbau von
Sulfiden haben bisher nur China und Russland Lizenzen erhalten. Ende
Juni sollen fünf weitere Lizenzen vergeben werden, davon zwei für
Sulfidexploration. Auch dieses Sulfidthema haben wir in der BGR 2011
aufgegriffen. Es lohnt sich darüber nachzudenken, ob Deutschland auch
dafür schneller eine Lizenz beantragt als bisher geplant. Wird ein
Land nach Ablauf seiner Erkundungslizenz nicht aktiv, gehen seine
gesamten Explorationsdaten in den Besitz der Meeresbodenbehörde über,
die sie weiter veräußern kann.
Wie weit ist die Erforschung der Umwelt, mithin der möglichen
Folgen eines Unterwasser-Bergbaus?
Dr. Wiedicke-Hombach: Es gibt einige Erkenntnisse aus der ersten
Blütezeit der Manganknollen-Erkundung vor 30 Jahren. Damals kam es
sogar zu einer Probeförderung — allerdings quasi ohne
Umweltauflagen. Damals wurden zwei Hauptprobleme erkannt: Erstens,
dass man weite Areale am Meeresboden durch das Schürfen der
Manganknollen beeinträchtigt. Zweitens wirbelt man am Meeresboden
sehr viel feinkörnigen Schlamm auf, produziert eine Trübewolke. Eine
zweite Trübewolke beeinträchtigt die Organismen im Oberflächenwasser,
da mit den Manganknollen selbstverständlich auch viel Sediment an die
Wasseroberfläche transportiert wird. Die Angst vor einer Zerstörung
des Meeresbodens ist heute etwas geringer, weil man diesen nicht
großflächig bearbeiten würde, nicht mal könnte — dazu ist er nicht
eben genug. Vielmehr würden also viele kleinere Areale abgeerntet
werden, neben denen unbeeinträchtigte liegen würden, von denen aus
eine Wiederansiedelung mit Organismen erfolgen kann. Man hat also
keinen massiven Impact, der eine große, tote Fläche hinterlässt,
sondern ein Netzwerk, einen regenerierungsfähigen Flickenteppich. Bei
Versuchen in den 90-er Jahren wurde der Meeresboden mit einer Art
überdimensionalem Pflug über sieben Jahre jährlich gestört.
Anschließend wurde erforscht, inwieweit das Leben im Sediment
verändert wurde. Das Ergebnis war, dass die Lebensgemeinschaften im
Boden erheblich gestört wurden, sich aber nach sieben Jahren zu weit
über 90 Prozent regeneriert hatten. Versuche der Japaner ergaben,
dass sich die Trübewolke nicht wie befürchtet über dutzende Kilometer
ausbreitet, sondern tatsächlich nach einem bis zwei Kilometer wieder
absetzt.
Wird an neuen Technologien geforscht für das Abernten oder die
Verhüttung von Manganknollen?
Dr. Wiedicke-Hombach: Ja, anknüpfend an den Arbeiten, die vor 30
Jahren gemacht wurden. So hat die Firma AkerWirth für die
Bundesanstalt ein Förderkonzept entworfen. Da liegen Pläne knapp
unterhalb der Konstruktionszeichnung vor. Verhüttungsversuche von
Manganknollen gibt es derzeit nur von China und Indien. So haben wir
realistische Vorstellungen davon, wie viel Metall tatsächlich aus den
Knollen gewonnen werden kann. In Deutschland gehen wir diese Versuche
jetzt zusammen mit der Hochschule Aachen an. Guckt man aus heutiger
Sicht auf die Manganknollen, sind nicht nur Kupfer, Nickel und Kobalt
interessant, sondern auch Spurenmetalle wie Molybdän oder Seltene
Erden. Hier ist noch einige konzeptionelle Arbeit von Fachleuten zu
leisten, die sich mit Verhüttungstechnik auskennen.
Jetzt sind sie als Prophet gefordert. Angesichts so viel
notwendiger Vorarbeit: Wann beginnt der Tiefseebergbau?
Dr. Wiedicke-Hombach: Eine ganze Reihe von Erkundungslizenzen
läuft in fünf Jahren aus. Dann stehen die betroffenen Länder vor der
Frage, ob sie den nächsten Schritt gehen. Das heißt, in der nächsten
fünf Jahre werden gewichtige Entscheidungen für oder wider den Abbau
getroffen. Neben den Erkundungen auf hoher See gibt es aber auch noch
welche innerhalb der 200-Meilen-Zonen, insbesondere eine von
Sulfid-Vorkommen vor Papua-Neuguinea. 2013 soll dort der Sulfid-Abbau
beginnen. Kommt dieser Schritt, wird er neue Erkenntnisse bringen und
weitere Aktivitäten anstoßen. Ende Juni, auf der nächsten
Jahreskonferenz der Internationalen Meeresbodenbehörde, liegen fünf
neue Anträge auf Lizenzerteilung vor. Bisher gibt es zehn Lizenzen
für Manganknollen-Erkundung und zwei für Sulfide. Man sieht, in
diesen Bereich ist Dynamik gekommen.
Nehmen die anderen Lizenznehmer die Umweltproblematik so ernst wie
die Deutschen? Und wird der Wissenschaft generell genug Zeit gelassen
angesichts des wachsenden Ressourcenhungers der Welt?
Dr. Wiedicke-Hombach: Es gibt noch einen großen Forschungsbedarf
bei den Umweltfragen, etwa zur Artenzusammensetzung in der Tiefsee.
Der wachsende Druck birgt aber die Chance, für diese Forschungen Geld
zu bekommen. In der Tat gibt es aber ein Gefälle in der Wahrnehmung
der Umweltproblematik. In China ist man sicher nicht so sensibel wie
hier. Aber hier hat die Meeresbodenbehörde auch das Mandat, die
Nachhaltigkeit der Abbaumaßnahmen zu überwachen.
Das Interview führte Joachim Zießler
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