Die politische Dramaturgie der nun schon seit gut
einer Woche andauernden Diskussion um Rente und Armut hat eine
überraschende Wendung erfahren: Plötzlich halten führende Köpfe der
größten Regierungspartei einen Rentenkonsens nicht für abwegig. Und
auch die SPD ist an dieser Stelle etwas zahmer geworden. Bricht nun
tatsächlich die lagerübergreifende Harmonie aus? Wohl kaum. Schon
allein deshalb, weil die Lager jeweils intern weiter streiten.
Zumindest in den Chefetagen beider Parteien hat sich aber offenbar
eine Erkenntnis durchgesetzt, die auf Erfahrungen aus der
Vergangenheit beruht: Mit Rentenreformen lassen sich zwar keine
Wahlen gewinnen, aber sehr wohl verlieren. Das wollen beide Seiten
verhindern. Deshalb die verbale Abrüstung. Mit den Ängsten der
älteren Generation ist nämlich nicht zu spaßen. Zumal sie zahlenmäßig
immer stärker wird und damit immer wichtiger bei Wahlen. Betrachtet
man die Pläne von SPD und der Bundesarbeitsministerin genauer, lassen
sich zweifellos auch inhaltliche Überschneidungen erkennen. Schon
deshalb macht das wechselseitige Kriegsgeschrei wenig Sinn. Das
Grundprinzip ist sogar identisch: Was von der Leyen „Zuschussrente“
nennt, kommt bei Gabriel als „Solidarrente“ daher. In beiden
Konzepten winkt eine Rentenaufstockung auf 850 Euro. Es gibt aber
auch noch viele Schwachstellen. So bleibt rätselhaft, warum von der
Leyen die Kosten der Rentenzuschläge zu Beginn nur den
Beitragszahlern aufbürden will. Die Bekämpfung der Altersarmut ist
ein gesellschaftliches Anliegen. Ihre Finanzierung sollte deshalb wie
von der SPD geplant von Anfang an aus dem Steuertopf erfolgen.
Umgekehrt muss sich Gabriel fragen lassen, warum er die Betriebsrente
so vehement zu fördern gedenkt. Altersarmut ist die Folge von
Erwerbsarmut, wie der SPD-Chef richtig analysiert. Nur nützen da auch
die besten Konditionen für eine Betriebsrente eben herzlich wenig.
All das ändert aber nichts an der Tatsache, dass sich CDU und SPD
beim Rententhema deutlich näher sind als Union und FDP. Daraus folgt
zweierlei. Erstens: Substanzielle Veränderungen im Rentenrecht wird
es bis zur nächsten Bundestagswahl nicht geben. Zumal Angela Merkel
fundamentale Entscheidungen eher scheut als beflügelt. Umso mehr wird
die Rente – zweitens – Eingang in die Wahlprogramme von CDU und SPD
finden. Und zwar mit ganz ähnlichem Tenor. Den Spitzen beider
Parteien zu unterstellen, sie würden damit auf eine Große Koalition
hinarbeiten, ist allerdings eine politische Übertreibung. Das letzte
schwarz-rote Bündnis musste die SPD mit einem enormen Einbruch in der
Wählergunst bezahlen, die Union mit dem Bruch mit Teilen ihrer
Stammklientel. Aber eines steht auch fest: Am Rententhema wird eine
Große Koalition nicht scheitern.
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