Es war eine Aktion mit Überraschungseffekt: SPD
und Linkspartei in Brandenburg kündigten am Dienstag an, das
Volksbegehren gegen den Fluglärm anzunehmen. Doch wer in Schönefeld,
Kleinmachnow oder Blankenfelde nun über mehr Nachtruhe jubelte,
dürfte sich am Ende wohl zu früh gefreut haben. Denn der Beschluss,
den die rot-rote Regierungskoalition nun im Brandenburger Landtag
erzielen will, hat mit dem Originaltext des Volksbegehrens nicht mehr
viel zu tun. Streng genommen fordert sich Rot-Rot nur selber auf, mit
dem Land Berlin Verhandlungen über eine Ausweitung der Nachtruhe in
Schönefeld aufzunehmen. Von der von den Nachtfluggegnern geforderten
Ruhezeit von 22 bis 6 Uhr ist nicht mehr die Rede, und natürlich kann
jede Verhandlung am Ende auch scheitern. Viel spricht dafür, dass das
passieren wird. Denn Rot-Rot hat zum billigsten aller politischen
Tricks gegriffen: Das Volksbegehren wird bis zur Unkenntlichkeit
verändert. So lange, bis es zur eigenen Politik passt. Dann kann es
auch angenommen werden – und die Volksabstimmung ist vom Tisch. Was
Matthias Platzeck neue Luft verschafft. Schließlich ist der
Pannenflughafen längst zu einem beispiellosen Debakel der
Landespolitik geworden, über das ganz Deutschland lacht. Eine
erfolgreiche Volksabstimmung wäre da der Todesstoß: für die
Wirtschaftlichkeit des BER und für die politische Karriere von
Matthias Platzeck, der sein Schicksal bekanntlich mit dem Flughafen
verbunden hat. Schon deswegen wäre jeder Urnengang zum Nachtflug auch
eine Entscheidung über den Ministerpräsidenten. Schon deswegen ist es
der simple Wunsch nach Machterhalt, der Matthias Platzeck zum
Kurswechsel bringt. So wie er auch aus der Tagesordnung des Landtags
am kommenden Mittwoch spricht: Während sich die Parlamentarischen
Geschäftsführer der Fraktionen bei anderen Themen schon einmal darauf
einigen konnten, dass jede Fraktion zehn Minuten Redezeit hat, kommt
bei der Fluglärmdebatte die Opposition zusammengerechnet auf gerade
einmal 16 Minuten. Kabinett und Regierungsfraktionen dagegen dürfen
stolze 41 Minuten reden. Wollte der Ministerpräsident einfach nur
mehr Nachtruhe, könnte er es einfacher haben: Das Land Brandenburg
und sein Infrastrukturministerium haben die Kompetenz festzulegen,
wann am BER geflogen wird. Ein Planergänzungsbeschluss würde genügen.
Welche Mehrheiten es im Aufsichtsrat eines Unternehmens zu dieser
Frage gibt, hat die Politik im Prinzip nicht zu interessieren –
selbst dann nicht, wenn das Land zugleich einer der Anteilseigner
ist. Doch im Fall des Großflughafens BER sind die
Interessenkollisionen mittlerweile so groß, dass das Land gar keine
andere Wahl mehr hat, als Rücksicht zu nehmen. Rücksicht auf die zu
erwartenden Schadenersatzforderungen der Flughafengesellschaft ebenso
wie Rücksicht auf die wirtschaftlichen Folgen eines Nachtflugverbots.
Nur für die nötige Rücksicht auf die Fluglärmgegner muss Platzeck
tief in den dreckigen Boden der politischen Trickkiste greifen.
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