Lausitzer Rundschau: Bis zum Beweis des Gegenteils

Zu den Affären in der Bundeswehr

Es ist allzu schnell und deswegen auch allzu
durchsichtig, wie die Opposition versucht, die drei aktuellen
Bundeswehraffären auf den Verteidigungsminister Karl-Theodor zu
Guttenberg zu ziehen. Er ist der Star des Kabinetts, also will man
ihn treffen. Man kann den CSU-Mann mögen oder nicht, aber soweit
erkennbar, ist die Häufung der Zwischenfälle rein zufällig. Und
soweit bekannt, lassen die drei Vorkommnisse, um die es geht, nicht
darauf schließen, dass die Bundeswehr oder auch nur Teile von ihr den
Charakter eines Sauhaufens angenommen hätten. Wenn ein Soldat im Zelt
in Afghanistan mit der Waffe herumspielt und sich dabei ein tödlicher
Schuss löst, kann der Minister nicht dafür. Dann ist das ein Unfall,
vielleicht fahrlässige Tötung. Er kann auch nicht dafür, wenn ein
Kapitän oder sein Offizierskorps auf der „Gorch Fock“ fern in
Südamerika womöglich Ausbildung so mit Drill verwechselt, dass jemand
dabei ums Leben kommt. Und drittens: Die Öffnung von Feldpostbriefen
aus Afghanistan hat die Spitze des Verteidigungsministeriums, soweit
bekannt, weder angeordnet noch davon gewusst. Es kommt jedoch darauf
an, wie der Minister jetzt auf diese drei zum Teil durchaus
gravierenden Fälle reagiert. Ob Vertuschung sein Grundansatz ist oder
schonungslose Aufklärung. Auch hier wieder kann man über Guttenberg
denken, was man will, aber so wie sein Vorgänger Franz Josef Jung
steht er nicht in Nibelungentreue zum Fehlverhalten von Offizieren
und Generälen. Das hat der CSU-Mann schon im Fall Kundus bewiesen,
als er seine anfängliche Einschätzung, das Bombardement sei
angemessen gewesen, öffentlich selbst korrigierte, so peinlich das
auch für ihn war. An diesem Stil wird er auch jetzt gemessen werden.
Solidarische Distanz zur Bundeswehr ist die richtige Einstellung, die
der oberste Inhaber der Befehlsgewalt haben muss. Erst recht, wenn
daraus demnächst eine Berufsarmee mit der wachsenden Gefahr der
Verselbstständigung und des Korpsgeistes wird. Festzuhalten ist bei
den drei aktuellen Vorgängen zunächst, dass die inneren
Kontrollsysteme exakt so funktioniert haben, wie sie sollen,
insbesondere das Institut des Wehrbeauftragten. Die Soldaten haben
sich an ihren Vorgesetzten vorbei bei ihm beschweren können, die
Missstände wurden öffentlich. Niemand ist bei der Truppe also schutz-
und wehrlos. Festzuhalten ist zweitens, dass der Minister sofort
zugesagt hat, die Vorgänge komplett aufzuklären, die Schuldigen
herauszufinden und sie zu bestrafen, und dass er entsprechende
Ermittlungen eingeleitet hat. Die Ergebnisse bleiben abzuwarten.
Guttenberg lässt bisher jedenfalls keinen Zweifel daran, dass der
Soldat für ihn Bürger in Uniform bleibt und nicht Landsknecht ist. Er
will seinen Worten nach eine moderne, offene Bundeswehr, die
vollständig auf dem Boden des demokratischen Rechtsstaates steht. Das
sollte man ihm zunächst mal glauben – bis zum Beweis des Gegenteils.

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