Genießbar oder nicht genießbar? Am Ende reduziert
sich der Dioxin-Skandal für die Verbraucher auf diese schlichte, aber
existenzielle Frage: Kann man Eier, Hähnchen- und Schweinefleisch aus
deutschen Landen noch ohne Gesundheitsgefährdung essen? Nach der
Kritik an ihrem Krisenmanagement ist Verbraucherschutzministerin Ilse
Aigner bei der Vorstellung ihres Aktionsplans bemüht gewesen,
entschlossen zu wirken. Aber um die klare Beantwortung dieser
wichtigsten aller Fragen hat sie sich wieder gedrückt. Stattdessen
hantierte die Ministerin erneut mit Grenzwerten und
Risikobewertungen. Ihr Auftritt hat zudem gezeigt, in welchem Dilemma
Aigner steckt. Ohne die Länder geht kaum etwas, und mit ihnen auch
nur wenig wegen der verbissen gepflegten, föderalen Konkurrenzen. So
ist in den letzten Tagen ein bizarres Spiel an Schuldzuweisungen und
Streitereien darüber zu bestaunen, wer im Verlaufe des
Dioxin-Skandals wann was zuerst vorgelegt hat, und wer schnell oder
langsam gehandelt hat. Den Verbrauchern nutzt dieses Gezänk nichts.
Im Gegenteil. Wenn Bund und Länder die Verunsicherung der Menschen
mit ihrem Hickhack noch verstärken, dann ist das ein Skandal im
Skandal. Nächste Woche bei der Agrarministerkonferenz wird sich
zeigen, ob die Verantwortlichen beider Ebenen endlich bereit sein
werden, wirklich wirksame Konsequenzen aus den Dioxin-Vorfällen zu
ziehen. Es ist in diesem Zusammenhang übrigens kein guter Stil, wenn
Renate Künast ihre Nachfolgerin so massiv attackiert. Das macht man
als Ex-Ministerin nicht. Die Grüne steht zwar für die viel gelobte
Agrarwende, aber auch sie hat kein lückenloses Kontrollsystem
installiert. Aigners Aktionsplan, der auffällig dem vor Jahren schon
verpufften Zehn-Punkte-Plan ihres Vorgängers Horst Seehofer ähnelt,
beinhaltet jedenfalls gute Ansätze – die Zulassungspflicht für
Futtermittelbetriebe, neue und systematische Kontrollen sowie
deutlich mehr Einblicke für die Verbraucher gehören dazu. Nur muss
die Ministerin jetzt zeigen, dass sie politisch genug Kraft besitzt,
über die reine Ankündigung hinauszukommen. Auch wenn der Verbraucher
es nicht gerne hört: Er trägt ebenso Verantwortung für die
wiederkehrenden Lebensmittelskandale. Billig sollen Nahrungsmittel
sein, vor allem Fleisch. Das konnte und kann nur durch die
Industrialisierung der Landwirtschaft funktionieren, die der
Panscherei, dem Medikamentenmissbrauch und der Tierquälerei letztlich
die Tür geöffnet hat. Kein Verbraucher darf sich wundern, dass die
Folgen dieses Systems irgendwann auf seinem Teller ankommen.
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