Lausitzer Rundschau: Grober Unfug Kabinett verabschiedet Gesetzesvorlage zum Betreuungsgeld

Angeblich geht es beim Betreuungsgeld um die
Wahlfreiheit. Aber schon die Entstehungsgeschichte der am Mittwoch
auf Druck der CSU vom Kabinett beschlossenen neuen Sozialleistung
beweist, dass dieses Argument falsch ist. Auf die Idee eines
Betreuungsgeldes kam die CSU nämlich erst, als die damalige
Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) den Ausbau der
Krippenplätze vorantrieb, samt eines ab 2013 geltenden
Rechtsanspruches. Als sie also Wahlfreiheit überhaupt erst
herstellte, die es bis dahin in den westlichen Bundesländern mangels
Krippenangebots nicht gab. Das Betreuungsgeld wurde geboren als
Racheakt der CSU gegen die moderne Familienpolitik der CDU, als
bewusstes Gegensignal: Für uns ist die Erziehung in der Familie die
einzig richtige Form. Wer den Krippenplatz nutzt, muss eine Gebühr
bezahlen, wer zu Hause bleibt, bekommt noch zusätzlich Geld vom
Staat. Diese ideologische Position einer letztlich doch kleinen
Regionalpartei muss man nicht nur aus der Sicht der gut gebildeten
Frauen, die arbeiten wollen, kritisieren, sondern auch aus der der
Kinder. Eltern, die Zeit haben und sie sich für die Kinder nehmen,
mehrere Geschwisterkinder, mehrere Generationen im Haus oder in der
Nähe – diese Art von Familie gibt es auch in Bayern nur noch selten.
Der Standard sind auch dort Ein- oder Zweikindfamilien mit
berufstätigen Eltern oder Alleinerziehende. Viele Kinder werden sich
daher besser entwickeln, wenn sie neben der häuslichen Erziehung
zusätzlich eine Krippe besuchen können. Erst recht gilt das für viele
Kinder von Migranten und aus prekären Lebensverhältnissen. Das
Betreuungsgeld ist keine Herdprämie. Diese polemische Bezeichnung ist
falsch. Ausdrücklich dürfen die Eltern, die es beziehen, arbeiten
gehen, sie dürfen ihr Kind auch privat betreuen lassen, allein oder
in Gruppen, solange sie wollen. Auch der regelmäßige Besuch von
Vorsorgeuntersuchungen wird nicht verlangt. Die einzige Bedingung ist
die Nichtinanspruchnahme eines staatlichen Krippenplatzes. Das
Betreuungsgeld ist damit eine Fernhalteprämie. Es ist, als bekäme man
Geld dafür, das Schwimmbad nicht zu besuchen oder das Theater zu
meiden. Ein wesentlicher Grund dafür ist ganz sicher, dass viele
Westländer, auch Bayern, die Krippen-Ausbauziele nicht schaffen und
vielleicht auch gar nicht schaffen wollen. Gerade diesen Ländern ist
zu wünschen, dass die Frauen sich vom Betreuungsgeld nicht locken
lassen und den geltenden Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz
trotzdem einklagen. Dann wäre das Kalkül durchkreuzt. Unter dem
Strich ist das Betreuungsgeld ein rund 1,2 Milliarden Euro teurer
Wahlkampfgag der CSU, der übrigens zulasten anderer dringend
notwendiger Familienausgaben geht, etwa einer Stärkung der kommunalen
Jugendhilfe für misshandelte und vernachlässigte Kinder. Grober Unfug
ist es auch, eine solche zusätzliche und auf Pump finanzierte
Sozialleistung just in einer Zeit einzuführen, da Deutschland in der
Eurokrise überall das Sparen predigt. Dass die Bundeskanzlerin, die
nach dem Grundgesetz über die Richtlinien der Politik bestimmt,
dieses Gesetz gestern im Kabinett passieren ließ, zeigt, wie schwach
sie derzeit ist.

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