Das ist gerade noch einmal gut gegangen. Das Votum
zugunsten des FDP-Vorstands beim Mitgliederentscheid über den
künftigen Euro-Kurs der Liberalen hat Parteichef Philipp Rösler
vorerst gerettet. Und die Schwarz-Gelbe Bundesregierung vor dem
Zerbrechen bewahrt. Deutschland bleibt damit in einer der
schwierigsten Nachkriegslagen von einer möglichen Staatskrise
verschont. Das liest sich dramatisch. Und so war das Szenario leider
auch. Wenn die Bundesregierung zur Rettung Europas nicht länger mit
einer Zunge spricht, wenn die von den meisten Partnern zusammen mit
Frankreich erwartete Führungsrolle des Kabinetts Merkel/Rösler wegen
mangelnder Gefolgschaft der Liberalen zerplatzt wäre – dann hätte
sich ein „kopfloses“ Europa noch weiter dem Abgrund genähert. Ob aus
Staatsraison, europäischer Überzeugung oder auch nur aus Solidarität
mit dem schwer angeschlagenen Chef: Die FDP-Mitglieder haben durch
ihre Stimmabgabe – und mehrheitlich durch offenkundig freundliches
Desinteresse an der gestellten Frage – eine politische Katastrophe
verhindert. Die Liberalen haben dabei die schmerzliche Erfahrung
gemacht, dass die in politischen Lehrbüchern gepriesene
innerparteiliche Demokratie – die Mitgliederbefragung war Ausweis
dafür – auch schnell zum Rohrkrepierer werden kann. Wochenlang
stellte sich die Partei in ihrem Pro und Contra Euro-Rettungsschirm
als tief zerstritten da. Mit der Folge, dass noch mehr Wähler die
Daseinsberechtigung der liberalen Resttruppe anzweifelten. Ob Rösler
und dessen verbliebene Getreue nach dem Überstehen des
Mitgliedervotums das Schlimmste tatsächlich überstanden haben, ist zu
bezweifeln. Sie haben allenfalls ein bisschen Zeit gewonnen. Zeit, um
aus den negativen Schlagzeilen herauszukommen und mit neuen
Sachthemen auch neues Vertrauen zurückzugewinnen. Ob der derzeitige
Vorsitzende Rösler Instinkt, Wissen und Erfahrung und schließlich
auch noch den notwendigen Schuss Kampfgeist dafür mitbringt? Dafür
spricht nicht sehr viel. Und wenn man wie er ohnehin kein Glück hat,
dann kommt auch noch Pech dazu – in Person seines eigentlich zur
Attacke bestellten neuen Generalsekretärs. Der muss sich erst mal
gegen den Vorwurf der Fahrerflucht verteidigen. Rösler bleibt nicht
mehr viel Zeit. Die Partei wartet, dass er endlich liefert. Die erste
Lieferung muss er am Dreikönigstreffen leisten – im Form einer wieder
Mut machenden Rede. Das entscheidende Paket muss am 6. Mai beim
Wahlabend in Schleswig- Holstein geöffnet werden. Bleibt es leer und
fliegt die FDP auch dort aus dem Landtag, dann kann Rösler seine
Sachen packen. Personell ausgedörrt wie die Liberalen mittlerweile
sind, bleibt als Retter in der allergrößten Not nur noch Rainer
Brüderle. In Rheinland- Pfalz zwar abgewählt, hat er sich in Berlin
zunächst als Bundeswirtschaftsminister und jetzt als Fraktionschef
erstaunlich stark präsentiert. Er wäre die allerletzte Hoffnung der
FDP. Deren Lage hat sich nach dem Mitgliedervotum allenfalls leicht
entspannt. Aber das ist für Rösler und Freunde in diesen trüben Tagen
ja schon etwas.
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