In der Causa Wulff gibt es zwei voneinander
getrennte Welten. In der einen lebt der Bundespräsident selbst. Im
Schloss Bellevue gibt er Empfänge, begrüßt Schülergruppen und
Sternsinger, oder er bespricht mit Botschaftern die schwierige Lage
in Europa. Ein Mann ist dort zu beobachten, der sich ganz dem Amt und
den Aufgaben des Bundespräsidenten verpflichtet fühlt. Egal, was um
ihn herum passiert. In der anderen Welt fern seines Amtssitzes und
seiner Verpflichtungen agieren insbesondere die Medien und Wulffs
politische Gegner aus seinen alten Ministerpräsidenten-Zeiten. Sie
rücken mit immer neuen Vorwürfen, so kleinteilig und lächerlich sie
manchmal auch sind, das Staatsoberhaupt und sein Umfeld seit Wochen
ins Zwielicht. Zwei Welten zeigen sich also in der Causa Wulff, die
der, auf den es ankommt, nicht zusammenbringen will. Der Hauptakteur
verweigert sich. Das ist vielleicht Christian Wulffs größter Fehler.
Er handelt und spricht wie ein Teflon-Präsident. Er glaubt, dass
sich das Amt des Bundespräsidenten loslösen ließe von der
Vorgeschichte der Person, die es innehat; von der Diskussion, die
über seine Vergangenheit als Parteipolitiker geführt wird. Und damit
auch von den Vorwürfen, die gegen ihn erhoben werden. Gute Welt,
schlechte Welt. So funktioniert es jedoch nicht. Auch wenn Wulff
gestern bei seinem Interview-Auftritt erneut gezeigt hat, dass er
fest daran glaubt, dass eine solche Trennung möglich ist, so ist sie
vor allem eines: realitätsfern. Man kann diese Haltung
Überlebensstrategie im Amt nennen. Anders könnte man den öffentlichen
Druck selbst als erfahrener Politiker wohl nicht aushalten. Bislang
wurde der Präsident insbesondere dadurch bestärkt, dass die meisten
Bürger die Debatte als übertrieben empfanden. Dass die Medien in der
Befeuerung der Affäre nicht immer ein besonders gutes Bild abgegeben
haben, ist zudem inzwischen unbestritten. Doch das Meinungsbild
kippt. Und zwar zuungunsten des Mannes in Schloss Bellevue. Die
Menschen merken, dass Wulffs präsidiale Fassade in Wahrheit nicht
aufrecht zu halten ist. Wenn ihm somit politisch noch etwas
gefährlich werden kann, dann ist es nicht, dass er von den Grünen nun
in Niedersachsen als Lügner beschimpft wird. Die Bürger werden Wulff
zunehmend gefährlich, weil sie sich von ihm abwenden. Ein Präsident
ohne Volk ist aber kein Präsident mehr. Und gleiches gilt für ein
Staatsoberhaupt, das in Wahrheit nicht weiß, wie es sein Volk
zurückgewinnen kann.
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