Lausitzer Rundschau: Ins Merkel-Abklingbecken

Wirtschaftsberater soll Bundesbankpräsident werden

Wer je erlebt hat, wie im Kanzleramt die
Abteilungsleiter spuren, wenn die Regierungschefin pfeift, kann nicht
dafür sein, dass Merkels Abteilungsleiter Wirtschaft, Jens Weidmann,
schon heute zum Präsidenten der unabhängigen Bundesbank berufen wird.
So sehr der Mann auch fachlich für den Job geeignet ist –
Abteilungsleiter, das sind die loyalen Zuarbeiter ihrer Chefs, die
Arbeitstiere hinter ihnen. Ganz besonders Weidmann, der mit Merkel in
der Banken- und Eurokrise durch dick und dünn ging. Zu den
Einstellungsvoraussetzungen von Abteilungsleitern gehören Überstunden
ohne Ende, Frustrationstoleranz und die Bereitschaft zur Teamarbeit
mit allen Koalitionspartnern, wie idiotisch sie man auch finden mag.
Kein Wunder, dass regierungsintern niemand gegen Jens Weidmann
Einwände hat. Sie sehen ihn ja alle jeden Tag. Aber kann so ein
weisungsgebundener Spezialist plötzlich seinen eigenen
geldpolitischen Kurs verfolgen, zur Not auch gegen den Willen der
Regierungschefin, die ihn in das neue Amt gehievt hat? Kann er bei
der Haushaltsaufstellung das Kabinett kritisieren, wenn es zu viel
ausgibt. Kann er einen anderen wirtschaftspolitischen Kurs fordern?
Die Antwort ist natürlich nein. So schnell kann keiner umschalten.
Jens Weidmann braucht ein Abklingbecken für seine Merkel-Loyalität,
braucht eine einjährige Karenzzeit weit weg von der Regierung. Nur so
gewinnt er innere Unabhängigkeit. Ihn zunächst als einen der
Vizepräsidenten der Bundesbank zu berufen, und einen der jetzigen
Stellvertreter vorübergehend zum Präsidenten zu ernennen, ist daher
die bessere Lösung. Für Weidmann selbst. Vor allem aber für unser
Geld. Jung genug ist er sowieso.

Pressekontakt:
Lausitzer Rundschau

Telefon: 0355/481232
Fax: 0355/481275
politik@lr-online.de