Sie lachten, sie hatten gute Laune und bestellten
„Steak-Tartar“. Vor zweieinhalb Jahren beendeten die
Koalitionsspitzen ihren Krisen- und Klimagipfel noch spontan in einem
Berliner Promi-Restaurant. Danach sollte alles besser werden. Gestern
haben sich die drei Parteivorsitzenden von CDU, CSU und FDP im
Kanzleramt noch nicht einmal drei Stunden Zeit genommen, obwohl die
Liste der Streitthemen nicht kürzer geworden ist seit dem Januar
2010. Das kann man deuten: Schwarz-Gelb ist mittlerweile eine
Koalition der Resignierten, eine, die um ihre Daseinsberechtigung
ringt. Kein Krisengipfel, kein Abendessen, kein Sechs-Augen-Gespräch
kann offenbar noch kitten, was die Koalitionäre in drei Jahren an
politischen, aber auch an persönlichen Scherben angehäuft haben. Es
herrscht eine Atmosphäre des Misstrauens. So gut wie jedes Vorhaben
wird zerredet oder aber führt zu Streit. Damals, vor dem berühmten
Lokalbesuch, raufte man um Steuersenkungen, den Afghanistan-Einsatz,
die Gesundheitspolitik, jetzt streitet man über das unsinnige
Betreuungsgeld, die Finanztransaktionssteuer, den Mindestlohn oder
die leidige Pkw-Maut. Auch gestern wieder kaum Entscheidungen, kaum
Klarstellungen, sondern die Probleme wurden fast nur vertagt. Die
sich wiederholenden, gegenseitigen Treueschwüre der Parteichefs
langweilen. Sie ersetzen auch keine konkreten Beschlüsse. Geschweige
denn einen politischen Kurs, der aus Sicht der Bürger Sinn macht. Es
fehlt an Substanz, dadurch an Gemeinsinn. Und weil das so ist, kann
jeder in der Koalition daherschwätzen wie er will – und wann er will.
Dabei sind die Rahmenbedingungen für Schwarz-Gelb derzeit eigentlich
gut. Das Land trotzt der Eurokrise, der Arbeitsmarkt ist robust, noch
wächst die Wirtschaft, die Steuereinnahmen sprudeln. Und die
Opposition schwelgt in rot-grünen Träumen, die programmatisch längst
noch nicht plausibel unterfüttert sind. Umso grotesker ist es, dass
die Koalitionäre den politischen Gegner ein ums andere Mal in den
eigenen Reihen ausmachen. Gewiss, die abgedroschene Formel, dass eine
Koalition keine Liebesheirat ist, trifft zu. Aber ein dauerhaftes
Ehedrama ist sie üblicherweise auch nicht. Nur 15 Monate sind es noch
bis zur Bundestagswahl. Schon jetzt ist klar, dass die Partner im
Wahlkampf erhebliche Schwierigkeiten haben werden, eine Neuauflage
ihres desolaten Bündnisses überzeugend zu begründen. Augenscheinlich
wollen sie das auch gar nicht mehr. Die Union Angela Merkels lauert
bereits auf eine Große Koalition, die FDP, so sie denn wieder in den
Bundestag einziehen sollte, blickt auf eine Ampel. Und die CSU? Die
schaut sowieso nur auf sich selbst. Nächstes Jahr sind auch
Landtagswahlen in Bayern. Damit stellt sich allerdings die
Führungsfrage. Angela Merkel flüchtet sich in die außenpolitischen
Herausforderungen, die sie mal brachial, mal diplomatisch klug
angeht. Eine Kanzlerin, die in Europa den Ton vorgeben kann, aber
sich daheim treiben lässt, statt Konflikte zu lösen oder zu
entscheiden. Ihre Macht steht damit auf tönernen Füßen. Merkel
scheint vergessen zu haben, dass die Wahlen vor allem im Inland
gewonnen werden müssen. Das kann nur gelingen, wenn sich ihre
Regierung in den nächsten Monaten nicht zerstritten und endlich
handlungsfähig zeigt. Beides ist jedoch kaum zu erwarten.
Pressekontakt:
Lausitzer Rundschau
Telefon: 0355/481232
Fax: 0355/481275
politik@lr-online.de