Lausitzer Rundschau: Steinbrück ist jetzt offiziell Merkels Herausforderer / Kandidat mit zwei Gesichtern

Auch die SPD kann Krönungsmesse. Ähnlich
eindrucksvoll, wie die CDU vor wenigen Tagen Angela Merkel abermals
zur Ikone erhob, haben die Genossen jetzt Peer Steinbrück offiziell
zu ihrem Kanzlerkandidaten geadelt. Dabei sollte man die
Vorgeschichte nicht vergessen: Während es zu Merkel nie eine
innerparteiliche Alternative gab, führte die SPD über Monate hinweg
einen Schleiertanz auf, wer der beliebten Kanzlerin Paroli bieten
darf. Am Ende blieb von der tollen Troika nur noch Peer Steinbrück
übrig. Ist er also ein Verlegenheits-Kandidat? Vielleicht. Ein
Kandidat mit zwei Gesichtern ist er ganz bestimmt. Politiker sind in
aller Regel dann erfolgreich, wenn sie Erfahrung, Kompetenz und
Glaubwürdigkeit ausstrahlen. Steinbrück ist zweifellos ein politisch
erfahrener Mann und kompetent dazu. Und die Glaubwürdigkeit? Dass es
hier weniger rosig aussieht, hat nicht nur mit Steinbrücks reger
Vortragstätigkeit zu tun, die ihn zum Millionär machte, was für einen
Herzblut-Sozi, nun sagen wir, gewöhnungsbedürftig ist. Noch stärker
wiegt die Tatsache, dass er zu den leidenschaftlichen Anhängern der
Agenda 2010 aus der Schröder-Ära zählt, die große Teile der Partei am
liebsten aus der sozialdemokratischen Historie tilgen würden. Im
Wahlkampf 2013 will sich die Partei nun ganz zum Anwalt der Armen und
sozial Entrechteten machen. Und Steinbrück? Er spricht von
„Unwuchten“ in der Gesellschaft. Das zeigt seine Verdruckstheit in
dieser Frage. Für einen Gerechtigkeits-Wahlkampf ist er schlicht der
falsche Mann. Steinbrück muss nun ein Rentenkonzept vertreten, das
praktisch kaum bezahlbar ist und der Erhöhung von Steuern das Wort
reden, deren Senkung er vormals tatkräftig mitverantwortet hatte. Und
er muss pflichtgemäß gegen die Euro-Krisenpolitik von Angela Merkel
wettern, obwohl die SPD mangels überzeugender Alternativen im
Bundestag noch immer dafür gestimmt hat. Das ist dann auch das
Dilemma der Genossen: Sie wollen immer nur das Beste, aber den
meisten Bürgern reicht es offenbar schon, dass Merkel das Schlimmste
verhindert. Von echter Wechselstimmung ist Deutschland trotz aller
Kritik an Schwarz-Gelb jedenfalls weit entfernt. Umso wichtiger wäre
es da, wenn die Genossen geschlossen hinter Steinbrück stünden. Mit
seiner Rede in Hannover hat Steinbrück sicher einen großen Schritt
zur Versöhnung mit seiner Partei gemacht. Angesichts des
Steinbrückschen Naturells und der Widerspenstigkeit der SPD muss das
aber nicht auf Dauer tragen.

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