Lausitzer Rundschau: Willkommen im Jahr 2011
Der Frauenfußball hat seine Chance längst genutzt

Wir schreiben das Jahr 2011, und es gibt
tatsächlich noch Menschen, die sich angesichts fußballspielender
Frauen ernsthaft die Frage stellen: Dürfen die das? Um dann
gönnerhaft zu erklären, na ja, eine Chance müsse man den Damen
angesichts der Weltmeisterschaft im eigenen Land ja doch wohl geben.
Auch wenn einige von ihnen vor dem Spiel Wimperntusche auftragen,
anstatt sich wie Bayern-Star Mario Gomez literweise Gel in die Haare
zu schmieren. Eine Chance? Damit hat sich die männliche Fußballwelt
tatsächlich lange sehr schwer getan. Das Recht, Fußball zu spielen,
mussten sich Frauen und Mädchen gegen Anfeindungen, Häme und das
steinzeitliche Weltbild mancher Funktionäre erst hart erkämpfen. Es
hat Jahrzehnte gedauert. Inzwischen aber zählen Deutschlands
Fußball-Vereine mehr als eine Million Mitglieder weiblichen
Geschlechts. 74000 Fans füllten am Sonntagabend das Berliner
Olympiastadion beim WM-Auftakt der deutschen Nationalelf gegen
Kanada. Und in Brandenburg haben die Sportfans in den vergangenen
zehn Jahren nicht weniger als sieben Mal die Turbinen aus Potsdam zur
Mannschaft des Jahres gewählt – gegen männliche Konkurrenz
wohlgemerkt. Der Frauenfußball hierzulande braucht keine Chance, er
hat sie längst genutzt. Freilich: Das Interesse an der
Frauen-Bundesliga ist noch immer recht bescheiden. Und von den
Gehältern und Werbeeinnahmen ihrer männlichen Kollegen können die
deutschen Nationalspielerinnen nur träumen. Aber was sagt das schon?
Männerfußball hat in Deutschland eine singuläre Position. Alle
anderen Sportarten – ob nun von Männern oder Frauen ausgeübt – müssen
damit leben, dass sie die ganz große Aufmerksamkeit nur bei
Top-Ereignissen bekommen. Und auch dann meist nur, solange sie
herausragende Leistungen bringen. Am Publikumszuspruch und den
Verdienstmöglichkeiten der Fußballprofis gemessen, hätten Turner,
Radsportler oder Ruderer beiderlei Geschlechts ihr Tun mangels
öffentlichen Interesses längst einstellen müssen. Ohnehin ist der
Vergleich unangemessen. Männer- und Frauenfußball sind so
unterschiedlich wie Männer- und Frauenhandball oder Männer- und
Frauentennis. Aber wer würde etwa einer Steffi Graf ihren Platz in
der Ruhmeshalle des Sports absprechen, weil sie im direkten Duell mit
Boris Becker nie den Hauch einer Chance gehabt hätte. Birgit Prinz,
Kerstin Garefrekes und Alexandra Popp müssen sich bei der WM nicht
gegen Bastian Schweinsteiger, Lukas Podolski und Mesut Özil
durchsetzen – sondern gegen die Brasilianerin Marta, die Engländerin
Kelly Smith oder die US-Amerikanerin Abby Wambach. Das wird schwer
genug. Äußerlichkeiten, über die jetzt viel diskutiert wurde, sind
dabei Nebensache – unabhängig von der noch zu klärenden Frage, ob das
deutsche Glamour-Girl Lira Bajramaj tatsächlich mehr Zeit vor dem
Spiegel verbringt als der portugiesische Fußball-Pfau Cristiano
Ronaldo. Schönheitspreise, eine alte Fußballerweisheit, gibt es auf
dem Platz eh nicht zu gewinnen. Was dort zählt, ist allein die
Leistung. Nur daran müssen sich Sportler messen lassen. Nur davon
lassen sich die Fans in den Stadien und an den Bildschirmen
begeistern. Wir schreiben das Jahr 2011, und die deutschen Frauen
spielen nicht um gesellschaftliche Akzeptanz. Sondern um den
Weltmeistertitel. 

Pressekontakt:
Lausitzer Rundschau

Telefon: 0355/481232
Fax: 0355/481275
politik@lr-online.de