Die Bundesrepublik befindet sich weiter auf den
rasanten Weg in eine Niedriglohn-Gesellschaft. Der Existenzdruck
trotz Vollzeit-Tätigkeit hat im Jahr 2010 in Deutschland einen neuen
Höhepunkt erreicht. Nach bisher unveröffentlichten Jahresstatistiken
der Bundesagentur für Arbeit für das Jahr 2010 arbeitet mittlerweile
mehr als jede dritte Frau und nahezu jeder zweite Jugendliche (unter
25 Jahre sowie unter Ausklammerung der Auszubildenden) unterhalb der
Niedriglohnschwelle. Diese liegt laut Bundesagentur für 2010 bei
einem Monatseinkommen von 1802 Euro. Das berichtet die „Leipziger
Volkszeitung“ (Sonnabend-Ausgabe) unter Berufung auf die ihr
vorliegenden Statistiken. In absoluten Zahlen verdienten im
vergangenen Jahr 715 000 Jugendliche außerhalb der Ausbildung weniger
als 2/3 des Durchschnittseinkommens. 2 558 000 Frauen lagen trotz
Vollzeit-Job unterhalb der Niedriglohnschwelle. Insgesamt liegt der
Anteil der Vollzeitbeschäftigten im Bundesgebiet, die im
Niedriglohnsektor arbeiten bei mittlerweile 22,8 Prozent. Gegenüber
dem Vorjahr bedeutet dies 2010 eine Steigerung um 0,5 Prozent oder,
in absoluten Zahlen, um 199 762 Arbeitnehmer. Besonders betroffen
sind dabei das Gastgewerbe und der private Haushaltssektor. Im
Gastgewerbe in Deutschland und bei den Haushaltshilfen arbeiten
inzwischen drei von vier Vollzeitangestellten zu Löhnen unterhalb der
Niedriglohngrenze. Entsprechend der Definition der UN-Organisation
für wirtschaftliche Entwicklung OECD fällt ein Arbeitnehmer als
sozialversicherungspflichtiger Vollzeitangestellter (ohne
Auszubildende) dann unter die Niedriglohnschwelle, wenn er weniger
als zwei Drittel des Durchschnittslohns erhält. Aufgrund anhaltender
unterschiedlicher Lebensverhältnisse – trotz sich angleichender
Preise – wird für Ostdeutschland noch eine Niedriglohnschwelle von
1379 Euro von der Bundesagentur für das Jahr 2010 errechnet. Für
Westdeutschland kommt die Agentur auf eine Grenze von 1890 Euro.
Entsprechend dieser Aufteilung fallen 2010 im Westen der Republik
20,8 Prozent und im Osten 21,1 Prozent der Vollzeitbeschäftigten in
den Niedriglohnsektor. Der Vorsitzende der Linkspartei, Klaus Ernst,
forderte vor diesem Hintergrund erneut einen gesetzlichen Mindestlohn
von zehn Euro je Arbeitsstunde. „Es ist an der Zeit, dass dieser
gesellschaftliche Großkonflikt endlich abgeräumt wird. Ich halte
einen parteiübergreifenden Mindestlohnkonsens für möglich.“ Ernst
forderte die Arbeitsministerin auf, „baldmöglichst die im Bundestag
vertretenen Parteien und die Sozialpartner einzuladen, um die Chancen
für einen solchen Konsens auszuloten“.
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