Der Präsident des Europäischen Parlaments, der
deutsche SPD-Politiker Martin Schulz, hat den EU-Regierungschef
vorgeworfen, sie irrten seit zwei Jahren von Gipfel zu Gipfel und
trotzdem werde die Krise immer schlimmer. In einem Interview mit der
„Leipziger Volkszeitung“ (Dienstag-Ausgabe) sagte Schulz: „Seit
nunmehr zwei Jahren eiern die EU-Regierungschefs von Gipfel zu
Gipfel, ohne dass sich die Situation verbessert. Wir rutschen eher
immer tiefer in die Krise. Deshalb ist es in Ordnung, wenn sich die
Bundesregierung nun korrigieren muss, weil sie die Hilfe der
Opposition braucht und weil sie ein anderes Gegenüber in Paris hat.“
Schulz bezog sich dabei auch auf das bevorstehende Treffen der
SPD-Kanzlerkandidaten-Troika mit dem linken französischen
Staatspräsidenten Francois Hollande an diesem Mittwoch in Paris. „Ich
halte die Zusammenarbeit von Parteien über die Grenzen hinweg für
völlig normal. Das ist europäische Innenpolitik. Wenn es überdies
dazu führt, dass in Europa endlich die notwendigen Entscheidungen
getroffen werden, ist das gut für uns alle.“ Es sei klar, dass gerade
in den Ländern, die über ihre Verhältnisse gelebt hätten, gespart
werden müsse. „Aber die ausschließliche Fixung darauf funktioniert
nicht. Zu Haushaltskonsolidierung und Strukturreformen muss Wachstum
hinzukommen“, verlangte Schulz. Denn ohne Wachstum würden die
betroffenen Staaten nicht aus dem Schlamassel heraus kommen. Länder
mit 50 Prozent Jugendarbeitslosigkeit seien „ein soziales
Pulverfass“, kritisierte Schulz. „Wenn Menschen keine Hoffnung haben,
dass es besser werden kann und dass sich ihre Sparanstrengungen
lohnen, wird–s gefährlich.“ Wenn sich nun die ideologischen
Blockaden von einigen Regierungschefs auflösten „und sie endlich das
Notwendige tun, kriegen wir das in Europa aber wieder hin“, sagte
Schulz mit Blick auf die neue deutsche Regierungshaltung zur
Finanztransaktionssteuer. Scharfe Kritik übte Schulz erneut an der
Anregung der deutschen Bundeskanzlerin, mitten in der Krise eine neue
Verfassungsdebatte über die politische EU zu beginnen. Er unterstelle
niemandem schlechte Absichten. Aber wer Mitten in der Krise eine
Verfassungsdebatte beginne, müsse sich fragen lassen, ob das jetzt
klug sei. „Auch in einer Wirtschaftskrise dürfen Parlamente nicht
einfach beiseite geschoben werden, wie das gerade versucht wird“,
sagte Schulz. „Eine marktkonforme Demokratie halte ich für falsch –
wir brauchen einen demokratiekonformen Markt! Sonst zertrümmern wir
unsere Demokratie.“
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