Kein Land hat radikalere Konsequenzen aus dem
Super-Gau von Fukushima gezogen als Deutschland. Die abrupte
Kehrtwende hin zum beschleunigten Ausstieg aus der Kernenergie – samt
sofortiger Stilllegung einer ganzen Reihe von aktiven Meilern – und
der vermehrten Einbeziehung von regenerativer Energie stellt die
technische Infrastruktur der Industrienation vor eine
Belastungsprobe, deren Ausmaße zum Zeitpunkt der Entscheidung wohl
nicht wirklich seriös abzuschätzen waren. Viel mehr noch aber kommt
das politische System unter Druck. Denn mit dem Beschließen des –
zweifelsohne zum Zeitpunkt der Entscheidung von der Bevölkerung
gewünschten – Schwenks in der Energieversorgung ist es nicht getan,
er will auch sachgerecht exekutiert werden. War die Entscheidung als
solche bei aller dazu notwendigen Kraftanstrengung verhältnismäßig
leicht zu fällen, stellt sich die Durchführung als schwer
beherrschbar heraus. Vor allem deswegen, weil sie im üblichen
Geflecht politischer (Macht-) und wirtschaftlicher
(Profit-)Interessen stattfinden muss. In dem aber hat absolute
Versorgungssicherheit zu akzeptablen Preisen im Zweifel nicht bei
jedem Akteur die erste Priorität seiner Agenda. Zudem überkreuzen
sich partei- und regionalpolitische Interessenlinien; von den sich
teilweise diametral entgegenstehenden Zielen von Energieversorgern,
Netzbetreibern und Verbrauchern ebenso wie von Bund, Ländern und
Gemeinden mal ganz abgesehen. Um die Umsetzung der Energiewende ist
es bis dato dann auch nicht rosig bestellt. Jetzt macht die Kanzlerin
sie jedoch endgültig zur Chefsache. Mehr noch: sie verknüpft ihr
politisches Schicksal mit dem Gelingen dieses Projekts. Dass sie sich
dabei unter anderem von den Ministerpräsidenten der Länder abhängig
macht, illustriert den Ernst der Lage. Es wird mehr als der Fortune
des neuen Umweltministers und großer Worte bedürfen: vor allem viel
guten Willens auf allen Seiten. Was leider eher Anlass zur Skepsis
gibt.
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