Mittelbayerische Zeitung: Beziehungsprobleme Merkels CDU hadert mit ihrem Konservatismus. Das aber ist ein Problem für die Konservativen. Von Christian Kucznierz

Beziehungen sind eine ziemlich komplizierte
Sache. Es ist schön, sie zu haben, aber man muss hart an ihnen
arbeiten, denn ganz ohne sie kann keiner gut leben. Wie hart das mit
den Beziehungen sein kann, erlebt die schwarz-gelbe Bundesregierung
in diesen Tagen einmal wieder. Nicht nur, dass Union und FDP Probleme
mit dem jeweils anderen haben. Auch CDU und CSU haben ihre liebe Not
miteinander. Und die Konservativen insgesamt haben ein Problem mit
ihrem Konservatismus. Und daran könnte am Ende die Beziehung mit dem
Wähler scheitern. Es ist wie verhext. Aber eines nach dem anderen.
Der Auslöser für die jüngsten Sorgen ist eigentlich auch ein
Beziehungsproblem. Warum, so lautet die völlig berechtigte Frage,
sollen gleichgeschlechtliche Partnerschaften nicht dieselben Rechte
haben wie andere (sie sollten es; aber um echte Probleme geht es
leider nicht immer)? Warum, und das hat ausgerechnet
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gesagt, muss heute noch so
gedacht werden, wie früher, wenn der Wähler es anders will? Und
selbst ein ausgewiesener konservativer Knochen wie
Unionsfraktionschef Volker Kauder denkt über mehr Flexibilität nach.
Verkehrte Welt, denken sich die Konservativen da zu Recht und runzeln
die Stirn. Mit dem gestrigen Beschluss, nichts zu ändern, dürften sie
zwar gut leben können. Aber ihnen ist klar, dass das Nein zu mehr
Gleichstellung nur bis auf Wiedervorlage gilt. Spätestens, wenn
Karlsruhe das nächste Urteil spricht, wird wieder einmal alles
anders. Dabei ist es nur konsequent, wenn die Union sich Fragen über
ihren Markenkern stellt. Denn den hat die Merkel-CDU schon lange
nicht mehr. Die Chefin hat ihre Partei dorthin getrieben, wo sie die
Wähler vermutet: in die Mitte. Mit Erfolg – bislang ist keine
Regierungskonstellation ohne Beteiligung der Union denkbar – aber
auch ohne Rücksicht: Die Hardliner, die Eckigen und Kantigen in ihrer
Partei sind ihr von der Fahne gegangen. Noch kann Merkel das
verschmerzen. Schließlich gibt es die CSU, die sie im Bund oft als
quälend empfinden muss, die ihr aber hilft, den rechten Flügel
abzudecken. So ist es – aus wahltaktischen Überlegungen – auch kein
Schaden, dass Parteichef Horst Seehofer sein Nein zu weiteren
Schritten zur Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften
erklärt hat. Das Problem für Merkels CDU aber ist, dass sie gerne
alle möglichen offenen Flanken im Bundestagswahlkampf geschlossen
hätte. Und die völlige Gleichstellung der Homo-Ehe wäre eine solche
Flanke. Das Schließen möglicher Einfallstore für die Opposition ist
die Strategie des bürgerlichen Lagers. Auch die Liberalen machen
nichts anderes, wenn sie sich bereiterklären, Mindestlöhne
mitzutragen. Union und FDP versuchen, mit der Opposition Hase und
Igel zu spielen; bislang klappt das ganz gut. Merkel ist überall
schon da. Fast zumindest. Wie in jeder Beziehung besteht aber die
Gefahr, dass am Ende, wenn alle Kanten abgeschliffen sind, der Reiz
verloren geht. Wenn alle Konfliktthemen abgeräumt sind, so lautet die
Strategie Merkels eigentlich, wählen am Ende die konservativen
Stammwähler trotzdem konservativ, während die anderen nicht wählen
gehen. Aber: Was, wenn die Konservativen sich nicht mehr in den
konservativen Parteien wiedererkennen? In Bayern sind sie da in einer
glücklichen Situation: konservativer als die CSU geht kaum. Im Rest
der Republik suchen sie nach Identifikationsfiguren und finden: die
Mitte. Und mittendrin in der Mitte Merkel. Ihr Bonus ist ihr
bisheriger Erfolg. Aber reicht das allein am Wahltag? Am Ende besteht
die Gefahr, dass ein Sturschädel wie Peer Steinbrück, unbelehrbar wie
er ist, trotz aller Patzer und Pannen den entscheidenden Tick mehr
Ausstrahlung hat auf diejenigen, die die Mitte okay finden – aber
auch furchtbar langweilig.

Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de