Mittelbayerische Zeitung: Das ungeliebte Kind der Bundesregierung Ministerin Schröder macht beim Kita-Ausbau Dampf – auch um Betreuungsgeld-Kritiker zu beruhigen. Von Reinhard Zweigler

Es gibt sie zumindest in der Politik:
Ungeliebte Kinder, die eigentlich keiner so recht haben will, die von
anderen immer ein wenig scheel angesehen werden. Außer von den
eigenen Eltern natürlich. Ein solcher Fall ist das Betreuungsgeld,
das familienpolitische Lieblingskind der Christsozialen. Auf Druck
von Horst Seehofer wurde das Projekt in den schwarz-gelben
Koalitionsvertrag hineingeschrieben. Doch so richtig gedeihen konnte
der CSU-Spross nicht. Auch in der christdemokratischen
Schwesterpartei würden viele den geplanten monatlichen Staatszuschuss
für Ein- bis Dreijährige, die keine Krippe besuchen oder von einer
geförderten Tagesmutter betreut werden, am liebsten unter den Tisch
fallen lassen. Es gab bereits offenenProtest von zwei Dutzend
CDU-Bundestagsabgeordneten, die im Parlament mit Ablehnung drohten.
Spätestens an dieser Stelle läuteten im Kanzleramt und in der
Fraktionsspitze die Alarmglocken. Sollte ein wichtiges Projekt eines
Koalitionspartners nicht durch den Bundestag kommen, könnte das ganze
Regierungsbündnis ins Wanken kommen. Entsprechend koalitionstragend
verhält sich die Kanzlerin zum CSU-Spross. Sie verteidigt ihn
offiziell – und denkt sich ihren Teil. Die Macht ist allemal
wichtiger als das ungeliebte Projekt. Bei den Freidemokraten ist der
Widerstand gegen Seehofers Prestigeprojekt noch größer als in der
CDU. In der Rösler-Partei macht man gar keine Anstalten, das
Betreuungsgeld zu verteidigen. Im Justizressort von Freidemokratin
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger wird sogar geprüft, ob der
Staatszuschuss für Kleinkinder verfassungsgemäß ist. Erhebliche
Zweifel sind angebracht. Die Opposition, die kein gutes Haar am
Betreuungsgeld lässt, oder der Kinderschutzbund haben bereits mit
Klagen gedroht. So oder so würde der Staatszuschuss für einen
ausgewählten Kreis von Eltern wohl ein juristisches Nachspiel haben.
Vermutlich bis nach Karlsruhe. Auch die familienpolitischen Zweifel
der Betreuungsgeld-Gegner wiegen schwer. Für die rund zwei oder noch
mehr Milliarden Euro, die dafür aufzuwenden sind, könnten fast die
noch fehlenden Betreuungsplätze geschaffen werden. Das Geld wäre dort
besser angelegt. Freilich sind auch die Attacken der Gegner nicht
frei von Ideologie. Dass etwa Ein- bis Dreijährige, die nicht in eine
Krippe gehen, sondern rund um die Uhr zu Hause betreut werden,
schlechter dran sein sollen als ihre Alterskameraden, ist ziemlicher
Unsinn. Eltern wissen sehr gut, was am besten für ihre Sprösslinge
ist. Deshalb sollte es ihnen erleichtert werden, auszuwählen, ob und
wo sie ihre Kinder betreuen lassen. Dafür braucht es allerdings viel
mehr Plätze, und das auch flächendeckend. Dort, wo es immer noch zu
wenige Krippen und Tagesmütter gibt, ist die viel gepriesene
Wahlfreiheit nämlich eine Farce. Familienministerin Schröder setzt
mit ihren Programm für Betreuungsplätze an der richtigen Stelle an.
Zugleich nimmt sie Betreuungsgeld-Gegnern Wind aus den Segeln. Höchst
problematisch ist auch, dass das künftige Betreuungsgeld auf
Leistungen nach Hartz IV angerechnet werden soll. Damit würde der
Gesetzgeber ausdrücken, dass ihm nicht alle Kinder gleich wert sind.
Ein Unding. Wenn Deutschland wirklich ein kinderfreundliches Land
werden will, dann muss noch viel mehr getan werden. Das geplante
Betreuungsgeld leistet dazu keinen Beitrag.

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