Gut sechs Millionen Menschen – so viele
Zuschauer lockte das Massenstartrennen der Frauen beim
Biathlon-Weltcup in Oberhof am vergangenen Sonntag an die
TV-Bildschirme. Eine Rekord-Einschaltquote. Die deutschen Fans können
sich nicht satt sehen an der rasanten Skijagd. Und der gesamte
Wintersport boomt. An den Leibesübungen auf Eis und Schnee ergötzt
sich ein ganzes Land. Auffällig ist auch, dass immer mehr potente
Sponsoren – wie zuletzt BMW – auf diesen Zug oder besser: Schlitten
aufspringen. Addiert man die Attraktivität Münchens und die
touristischen Vorzüge der bayerischen Alpen hinzu, ist es nur
logisch, dass die Wintersport-Nation Deutschland um die Ausrichtung
Olympischer Spiele wetteifert. Doch die simple Rechnung für 2018 geht
bis jetzt einfach nicht auf. Ministerpräsident Horst Seehofer sagte
jüngst, das Ziel sei es, mit der Münchner Bewerbung die Herzen der
Menschen zu gewinnen. In der Realität, wie sie Meinungsumfragen
widerspiegeln, zeigt immerhin ein Drittel der Bevölkerung den Spielen
hartnäckig die kalte Schulter. Vom anhaltenden Widerstand der
Landwirte in Garmisch-Partenkirchen ganz zu schweigen. Münchens
Kandidatur hatte zweifelsohne einen guten Start. Das auf drei Säulen
stehende Konzept hat Charme, wurde aber schlampig kommuniziert und
anfangs dilettantisch umgesetzt. Die Macher waren wohl dem
Trugschluss erlegen, die Bewerbung sei ein Selbstläufer. Als die
Defizite offen zutage traten, wurde personell und inhaltlich hastig
nachgebessert und -verhandelt. Doch einige offene Baustellen bleiben.
Dabei steht viel auf dem Spiel. Der deutsche Sport, vertreten durch
den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und seinen höchst
ambitionierten Präsidenten Dr. Thomas Bach, zieht mit München 2018
seinen letzten Trumpf. Nach den chaotischen Kandidaturen Berlins und
Leipzigs um die Sommerspiele 2000 bzw. 2012, deren internationale
Wirkung grotesk überschätzt wurde, geht es um die Frage, ob
Deutschland in absehbarer Zukunft überhaupt noch Olympia-fähig sein
kann oder will. Oft wird in diesen Tagen die Erinnerung an die
heiteren Spiele 1972 in München beschworen – auch wenn diese von
einem Terroranschlag überschattet wurden. Doch die gesellschaftlichen
Rahmenbedingungen haben sich seither drastisch verändert. In einer
kollektiven Kraftanstrengung wurde damals daran gearbeitet,
Deutschlands Bild in der Welt zu verbessern. Dieser Antrieb entfällt,
Partikularinteressen schieben sich in den Vordergrund. Das
wirtschaftlich prosperierende Voralpenland kommt auch ohne die
Impulse Olympischer Spiele prächtig über die Runden. Knapp sechs
Monate bleiben noch. Am 6. Juli entscheidet das Internationale
Olympische Komitee (IOC) im südafrikanischen Durban über den
Schauplatz der Winterspiele 2018. Das nationale Projekt München muss
nun dringend Schwung aufnehmen. Und es braucht und verdient neue
Anstöße und Unterstützung – aus der Bevölkerung, aber auch aus der
Politik, die sich lange Zeit seltsam passiv zeigte. Ohnehin bleiben
auf dem glatten Parkett der Sportpolitik Unwägbarkeiten, die selbst
den brillantesten Bewerber zu Fall bringen können. Das bereits
zweimal gescheiterte Pyeongchang, so hört man allenthalben, zieht im
Hintergrund alle Register, um sich diesmal die Gunst der IOC-Granden
zu sichern. Der Konkurrent aus Südkorea geht mithin als Favorit in
den Schlussspurt. Sollte München an Mauscheleien oder gar
Käuflichkeit scheitern, wäre dies keine Schande. Anders fiele das
Urteil jedoch aus, wenn eigene Unzulänglichkeiten verantwortlich für
eine mögliche Pleite in Durban wären.
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