Nach der Amokfahrt in Münster verbieten sich
vorschnelle Schuldzuweisungen. Aber es wurde die traurige Erkenntnis
bestätigt, dass es hundertprozentige Sicherheit nicht gibt.
In der so beschaulichen und friedlichen Stadt Münster wurde am
Samstag ein schrecklicher Alptraum wahr. Unbeschwertes
Frühlingstreiben am Platz am Kiepenkerl wurde jäh und brutal
unterbrochen. In der Stadt, die berühmt wurde für den Westfälischen
Frieden, der den Dreißigjährigen Krieg beendete, hat offenbar ein
Einzeltäter mit seinem Campingbus viele Menschen über den Haufen
gefahren. Bislang sind zwei Tote und viele Verletzte zu beklagen. Die
Stadt steht unter Schock. Am Ort des grausigen Geschehens fragt ein
Plakat in der Frühlingssonne nach dem Warum. Diese quälende Frage
stellen sich nicht nur die Überlebenden der Amokfahrt und ihre
Angehörigen, denen unsere ganze Anteilnahme und unser Mitgefühl
gelten, sondern auch die Ermittler, die vielen Helfer, Ärzte und
Politiker. Wenn solch ein grausames Verbrechen schon nicht verhindert
werden konnte, will man zumindest versuchen zu verstehen, wieso es
dazu kommen konnte. Dabei kann eine Erklärung, können die
Hintergründe einer solch abscheulichen Tat die Toten nicht zurück ins
Leben holen. Doch es scheint in der Natur des Menschen zu liegen, zu
ergründen, warum so etwas geschehen konnte. Nicht weil dies den
Schmerz kleiner machen könnte, sondern weil man vielleicht Vorsorge
dafür treffen kann, dass sich ähnliches nicht wiederholt. Ein
Fünkchen Hoffnung, mehr nicht. Nach allem, was die Ermittler bislang
herausgefunden haben, ist das schreckliche Attentat auf ahnungslose
Menschen von einem psychisch kranken Mann durchgeführt worden. Ein
extremistischer Hintergrund scheidet offenbar aus. Das Attentat von
Münster ist von den Motiven und Hintergründen her nicht mit der
Lkw-Attacke des Anis Amri vom Berliner Breitscheidplatz im Dezember
2016 oder der Amokfahrt von Nizza im Juli desselben Jahres
vergleichbar. Von den schlimmen Folgen her dagegen schon. Und aus
Sicht der Opfer macht es keinen Unterschied, ob „nur“ ein psychisch
Kranker oder ein Terrorist am Steuer eines Todesfahrzeugs sitzt.
Vorschnelle Schuldzuweisungen verbieten sich auch jetzt. Allerdings
wurde nun in Münster die traurige Erkenntnis bestätigt, dass es eine
hundertprozentige Sicherheit nicht gibt. Offene, demokratische
Gesellschaften lassen ihren Bürgern viele Freiheiten. Freilich können
diese Freiheiten auch von islamistischen Terroristen,
unverbesserlichen Verfassungsfeinden, eiskalten Rechts- wie
Linksextremisten, durchgeknallten Reichsbürgern, anderen Kriminellen
oder psychisch Kranken missbraucht werden. Sicherheit und Freiheit
stehen in einem engen, wechselvollen Spannungsverhältnis zueinander.
Die Sicherheitsmaßnahmen des Staates müssen da enden, wo sie die
Freiheit der Bürger unverhältnismäßig einschränken. Doch die Frage,
was in jedem einzelnen Fall verhältnismäßig ist, ist gerade die Crux.
Wahrscheinlich hätte auch Videoüberwachung am Platz am Kiepenkerl in
Münster die Amokfahrt nicht verhindern können. Noch mehr
Überwachungstechnik schafft nicht automatisch mehr Sicherheit.
Dennoch ist diese Technik an besonders gefährdeten Orten angebracht.
Sie kann ein Gefühl von Sicherheit bestärken – und im Fall von
Straftaten den Ermittlern helfen. Die Aufnahmen der Digitalkameras
müssen allerdings auch von Beamten zeitnah, oder sogar unmittelbar,
ausgewertet werden. Viel wichtiger als die schöne, neue
Überwachungstechnik ist und bleibt jedoch die Präsenz von mehr
Polizei und anderen Sicherheitsdienstleistern vor Ort. In Bayern und
anderen Bundesländern, sowie im Bund hat man das inzwischen
begriffen. Die Zahl der Polizisten wird wieder aufgestockt, nach den
Streichorgien und Kürzungen beim Sicherheitspersonal der vergangenen
Jahre. Münster hat noch einmal vor Augen geführt, wie dringlich dies
ist.
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