Mittelbayerische Zeitung: Für eine Gesellschaft, die Kinder schätzt

Eine gute Nachricht: Künftig wird es für die
Nachbarn und Anwohner von Kitas und Spielplätzen viel schwerer
möglich sein, gegen die Kindereinrichtung zu klagen, nur weil von
spielenden und auch mal tobenden Kindern eine Lärmbelastung ausgeht.
Dass zuletzt immer mal wieder Gerichte die Schließung von Kitas
anordneten, weil sich die zumeist älteren Nachbarn gestört fühlten –
oder es tatsächlich auch waren – war dagegen kein gutes Zeichen. Auch
wenn es sich dabei nur um Einzelfälle und nicht etwa Massenphänomene
handelte, eine in der Tendenz alternde Gesellschaft machte bzw. macht
Front gegen die junge, nachwachsende Generation. Man könnte auch
sagen, Augenblicksinteressen kollidieren mit denen der Zukunft. Der
völlig verständliche Wunsch nach Ruhe im und um das eigene Haus, im
eigenen Viertel stößt sich mit dem lärmigen Umfeld, das
Kindereinrichtungen nun einmal mit sich bringen. Und während eine
große Mehrheit der älteren und jüngeren Erwachsenen tobende Kinder
als großes Glück empfindet, sind sie anderen ein Graus in den Ohren.
Manche scheinen vergessen zu haben, dass sie als Kinder selbst laut
gespielt haben und tobend ums Eck gelaufen sind. Für die jetzt 40-
bis 60-jährigen sogenannten „Babyboomer“ standen Kitas und
Spielplätze in der Regel nicht zur Verfügung. Man spielte einfach
dort, wo man Platz dafür fand oder wo man es gar nicht durfte. Schon
vergessen? Wenn es um Kinder geht, dann stellt sich mitunter eine Art
Schizophrenie ein. Was bei den eigenen Kindern oder Enkeln als
Wohlklang empfunden wird, klingt bei Nachbars- oder gar fremden
Kindern grauslich. Dabei sind Streitigkeiten vor Gericht, ob der
Bolzplatz oder die Kita um die Ecke die Ruhe stört oder nicht, doch
nur die Spitze eines Eisberges. Jungen Paaren und Familien wird es
nicht gerade leicht gemacht, sich für Kinder zu entscheiden. Freilich
zahlt der deutsche Sozialstaat Milliarden an Kindergeld, Elterngeld,
für Sozialarbeit, schafft Erleichterungen bei Steuern, kümmert sich,
wenn Eltern mit der Erziehung nicht klarkommen. Doch all das hat
nicht verhindern können, dass im immer noch reichen Deutschland immer
weniger Kinder geboren werden. Es muss offenbar auch ein
gesellschaftliches Klima geben, das Kinder wertschätzt, sie als
großen Reichtum anerkennt. Nicht als materiellen, sondern als
ideellen, als etwas, wofür es sich zu leben lohnt. Die Alterspyramide
steht auf dem Kopf, auch weil die Herausforderungen der modernen
Arbeitswelt es vielen Frauen und Männern erschweren, sich den
Kinderwunsch zu verwirklichen. Kinder und Karriere, oder überhaupt
nur ein Broterwerb, beißen sich zu oft. Andere Länder, etwa in
Skandinavien, sind da längst weiter als wir. Und „nur“ Hausfrau und
Mutter zu sein, wogegen nichts zu sagen ist, betrachten immer mehr
junge Frauen heutzutage als zu wenig. Die Zeiten ändern sich. „Ein
Land mit Kindern ist ein Land mit Zukunft. Kindern Leben zu schenken,
sie großzuziehen, ist dem Tun des Försters vergleichbar, der einen
Baum pflanzt und weiß: Wenn dieser Baum Schatten spendet, wird er
selbst nicht mehr sein.“ – Das hat ein deutscher Kanzler gesagt,
Helmut Kohl nämlich. Vater von zwei Söhnen, die es unter dem
übermächtigen Vater nicht immer leicht hatten. Gelärmt und getobt
haben die Kohl-Söhne trotzdem. Es geht lärmend in die Zukunft.

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