Karl-Theodor zu Guttenberg bringt es in dem ihm
eigenen Duktus glänzend auf den Punkt: Seine „beklagenswerte
Eitelkeit“ habe ihn neben professoraler Geduld und sanftem, aber
unerbittlichem familiären Druck dazu bewogen, seine Studien trotz
freiberuflicher und später parlamentarischer Belastung
fertigzustellen. Das schreibt der Freiherr im Vorwort zu seiner
Doktorarbeit. Die Kommission der Uni Bayreuth urteilt, dass diese
Eitelkeit Guttenberg dazu verführt hat, sich mit fremden Federn zu
schmücken. Anders gesagt: Guttenberg hat „vorsätzlich getäuscht“.
Veröffentlicht werden soll der komplette Bericht morgen. Für die
Wissenschaft ist der Fall damit erledigt. Ausgestanden ist die
Guttenberg-Affäre damit aber nicht. Guttenberg wird zu Recht heftig
kritisiert. Er eignet sich perfekt als Sündenbock für alle Fehler des
politischen Systems. Doch eine Tatsache bleibt: Selbstbewusstsein, ja
sogar ein wenig Eitelkeit, sind unverzichtbare Voraussetzungen für
den beruflichen Erfolg – das erlebt jeder Besucher eines
Klassentreffens. Die Siegertypen, diese unübersehbaren Egos,
beflügeln die eigenen Karriereträume. Werden Uni-Absolventen nach
ihren Vorbildern befragt, tauchen auf den vorderen Plätzen diverser
Ranglisten die Namen der Spitzenmanager auf – obwohl diese als
arrogant verschrien sind. Um beim Beispiel Guttenberg zu bleiben: Der
Ex-Verteidigungsminister hat genau das verkörpert, was eine
Gesellschaft, die vom Wettkampf geprägt ist, erwartet. Seine
grandiosen Beliebtheitswerte rührten daher. Guttenberg räumte
„inkorrektes Setzen und Zitieren oder versäumtes Setzen von Fußnoten“
ein. Unklar ist, ob Guttenberg zugibt, dass dies bewusst geschah.
Klar ist aber, dass er von den Anforderungen einer Doktorarbeit
überfordert war. Wie sind derlei „Fehler“ sonst erklärbar? Das wirft
die Frage auf, weshalb sich ein intelligenter Mensch mit eindeutig
politischen Ambitionen – also einer großen Fallhöhe – selbst so
angreifbar macht. Für den Wähler spielt der Doktortitel schließlich
eine untergeordnete Rolle, wenn er sein Kreuzchen macht. Viel spricht
dafür, dass die Eitelkeit am Werk war. Die Eitelkeit gilt als Laster.
Für manch einen ist sie sogar eine Bürde. Offensichtlich jedoch
gedeiht sie prächtig. Sie ist sogar zur heimlichen Tugend geworden.
Der Kult um das Aussehen ist allgegenwärtig. Schönheitsoperationen
sind kein Tabu mehr und im Fernsehen zappt sich die Nation durch
Castingshows. Die Selbstinszenierung steht im Mittelpunkt. Manch
einer katapultiert sich mit einem falschen Doktortitel in die Welt
der Akademiker. Wieder andere schreiben seitenweise ab, um sich den
Titel zu verschaffen. Im Deutschlandradio Kultur räumte der
Vorsitzende des Deutschen Hochschulverbandes, Bernhard Kempen, auf
mit der Vorstellung, Doktoranden seien von der Gier nach Wissen
getrieben. Unter den rund 20 000 Dissertationen, die jährlich
geschrieben würden, gebe es nicht wenige, „die doch letztlich nur dem
Befriedigen von individuellen Eitelkeiten dienen“, sagte er. Sieger
sind beliebt. Auch wenn in der Spaßgesellschaft Wettkampf als Spiel
betrieben wird, steht am Ende der Ernstfall. Ohne eine gehörige
Portion Eitelkeit werden Führungskräfte und solche die es werden
wollen, scheitern. Einerseits. Manchmal scheint es so, als ginge es
nur um Selbstinszenierung. Aber dieser erste Eindruck täuscht.
Gründet sich die Eitelkeit eines Himmelsstürmers nicht nachweislich
auf Kompetenz, wird er tief fallen. Sein großes Ego wird ihn aber
antreiben, wieder aufzustehen. Deshalb ist auch Guttenberg ein
Comeback zuzutrauen – noch immer.
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