Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zum Fall Tebartz-van Elst / Katholische Kirche

Tiefer Riss durch die Kirche

Der Fall Tebartz-van Elst offenbart Gräben, die von Limburg auch
über Regensburg nach Rom verlaufen.

Von Stefan Stark, MZ

Es ächzt, knarzt und bröckelt gewaltig im Gebälk der katholischen
Kirche: Mit seinem feudalistischen Gebaren aus Prunksucht, Protz und
Abgehobenheit hat der Limburger Bischof der katholischen Kirche
schweren Schaden zugefügt – vom Fundament bis zum Dach hinauf. Dabei
es geht um weit mehr als die Frage, ob Baukosten von bis zu 40
Millionen Euro für eine Bischofsresidenz möglicherweise übertrieben
sind. Der Fall macht tiefe Gräben sichtbar, die quer durch die Kirche
verlaufen. An der Basis wenden sich die Gläubigen in Scharen vom
Luxus-Gehabe eines Franz-Peter Tebartz-van Elst ab.
Rücktrittsforderungen und Kirchenaustritte sagen deutlich, was man
von einer Rückkehr des Bischofs nach Limburg hält. Im Timotheusbrief
heißt es über das Amt des Bischofs: „Wer seinem eigenen Hauswesen
nicht vorstehen kann, wie soll der für die Kirche Gottes sorgen?“ Der
Limburger Bischof beantwortet diese Frage auf seine Weise. Er stellt
sich eine Badewanne für 15 000 Euro in seine Luxuswohnung, während
Caritas-Spendensammler von den Bürgern aus Empörung darüber die kalte
Schulter gezeigt kriegen. Er lässt sich für 350 000 Euro
Einbauschränke in seine Residenz zimmern, während Gläubige baufällige
Gemeindezentren in Eigenleistung renovieren, weil das Bistum mit
Mitteln geizt. Hier der Bischof – dort die Kirchenbasis – beide
trennen Welten. Auch durch das Obergeschoss der Kirche geht ein
klaffender Riss – mitten durch die Bischofskonferenz. Die
Tebartz-Verteidiger wie der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer
versichern ihrem Limburger Kollegen „die volle Unterstützung und
Solidarität“. Die Kritiker, allen voran Robert Zollitsch, drängen
dagegen auf eine Ablösung. Hier Voderholzer, der im Stile seines
Vorgängers und jetzigen Chefs der Glaubenskongregation, Gerhard
Ludwig Müller, den Fall als „Medientheater“ abtut, dort Zollitsch,
der öffentlich auf Distanz zu Tebartz geht. Der Regensburger Bischof
vertritt eine diametral andere Position wie der Vorsitzende der
Bischofskonferenz. Natürlich steht es Voderholzer frei, welche
Haltung er einnimmt. Genauso steht es den Gläubigen frei, diese
Position zu bewerten. Man kann sie interpretieren als Aufruf, sich
nicht vorschnell ein Urteil über andere zu bilden. Man kann sie aber
auch als Plädoyer für eine rückwärtsgewandte Kirche auslegen, der das
Festhalten an Pfründen und Privilegien wichtiger ist als eine
Erneuerung der Kirche – eine Position, für die es auch an der Basis
durchaus Anhänger gibt. In der obersten Etage des Gebäudes wiederum
steht der Papst, für den die Nachrichten aus Limburg einen
Frontalangriff auf seine eigene Glaubwürdigkeit bedeuten. Hier
Franziskus, der Bescheidenheit und Verzicht zu Maximen seines
Pontifikats erhoben hat. Dort Bischof Franz-Peter, der mit den
Millionen um sich wirft, als wäre er ein russischer Oligarch. Und der
sich gleichzeitig in Halbwahrheiten und Täuschungsvorwürfe
verstrickt. Tebartz stellt sich – auch wenn ihm das in dieser
Dimension wohl nicht bewusst war – offen gegen den Papst. Der Vatikan
braucht eine schnelle und glaubwürdige Lösung, damit der Schaden
nicht noch größer wird. Aus den Äußerungen von Zollitsch nach dem
gestrigen Krisengespräch mit Franziskus lässt sich herauslesen, dass
den beiden der Ernst der Lage bewusst ist und dass es auf eine
Ablösung des Limburger Bischofs hinausläuft. Doch damit kann es nicht
getan sein. Denn der Heilige Stuhl war offenbar bereits früh über die
Probleme in Limburg informiert. Und die Kontrolleure des Bauprojekts
drückten sich um ihre Aufsichtspflichten. Ein Rücktritt von
Tebartz-van Elst würde wie ein Bauernopfer erscheinen, wenn er nicht
von Reformen begleitet würde. Reformen, die sich viele von Franziskus
erhoffen. Die deutsche Amtskirche mit ihrem aufgeblähten Apparat und
einzelnen Purpurträgern, die wie Fürstbischöfe auftreten, böte
reichlich Ansatzpunkte für eine Erneuerung. Denn eines muss auch den
Kirchenoberen in Deutschland bewusst sein: Hirten, die nicht bei
ihren Schafen sind, werden ihre Herde irgendwann verlieren.

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