Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zum Stromspargipfel: „Stand-by-Minister Altmaier“

Man kann Peter Altmaiers gestrigen
Energie-Spar-Gipfel mit Sozialverbänden, Verbraucherschützern,
Kirchen, Kommunen und Elektrowirtschaft für kleinkariert halten.
Können Energieberatung, Sparlampen, der Verzicht auf das Laufenlassen
von Elektronik-Geräten im Stand-by-Modus wirklich zur Energiewende
beitragen? Aber ja. Kleinvieh macht bekanntlich auch Mist. Und wenn
jeder Haushalt hier und da ein paar Kilowattstunden einspart,
Stromfressern den Garaus macht, einfach bewusster mit Energie, mit
Strom und Heizung umgeht, kann das ein wichtiges Standbein der
angestrebten Wende sein. Vor allem eine, die sich angesichts immer
weiter steigender Energiepreise in der Stromrechnung niederschlagen
kann. Die Energiewende muss für jeden Einzelnen erfahrbar werden. Sie
braucht im besten Sinne Bürgerbeteiligung – oder sie bleibt ein
Vorhaben von Experten, Politikern, Klimaschützern, Gutmenschen und
Bürokraten, dem der Unterbau, die Begeisterung, die Leidenschaft
fehlten. Allerdings hat Altmaier für die gigantische Energiewende,
der sich Deutschland verschrieben hat, mehr zu liefern als nur
Energiesparberatungen, von denen er noch nicht einmal weiß, wie sie
bezahlt werden sollen. Vor allem für Haushalte, die kaum über die
Runden kommen und sich den neuen stromsparenden Kühlschrank oder die
neue Waschmaschine kaum leisten können. Diese Energiewende so zu
gestalten, dass sie für alle verkraftbar und bezahlbar ist, das ist
die Kunst. Diese Forderung geht allerdings nicht nur an die Adresse
des schwergewichtigen Umweltministers, sondern auch an die Adresse
von Bundesregierung, Bundestag, Bundesländern und Kommunen insgesamt.
Die soziale Flankierung der Energieumstellung entscheidet maßgeblich
mit über ihre Akzeptanz und damit über ihren Erfolg. Peter Altmaier
ist jetzt sozusagen der Stand-by-Minister der schwarz-gelben
Bundesregierung. Er ist immer eingeschaltet und jederzeit bereit, von
jetzt auf gleich loszulegen – mit guten Worten und Absichten. Auf
vielen anderen Baustellen der Energiewende herrschen dagegen
verdächtige Ruhe beziehungsweise vernehmlicher Streit mit dem
Bundeswirtschaftsminister. Dass der eine, Philipp Rösler, für den
Ausbau der Netze zuständig, der andere, Altmaier, für den Ausbau von
erneuerbaren Energien und den Abschied von der Kernkraft, macht die
Sache nicht einfacher. Reibereien sind programmiert. Allerdings wäre
auch ein für die gesamte Energiewende zuständiger
Bundesenergieminister nicht die Lösung, denn der müsste sich erst
wieder mühsam die entsprechenden Kompetenzen erkämpfen. Über das Ziel
hinaus schießen zurzeit offenbar nicht nur die staatlichen Zuschüsse
für erneuerbare Energien, etwa für Solarstrom, sondern auch die
Großzügigkeit, mit der das Bundeswirtschaftsministerium Ausnahmen bei
der Umlage für die nachhaltigen Energien zulässt. Die Zahl der
Unternehmen, die wegen hoher Stromkosten vom EEG-Zuschlag befreit
werden, hat sich einem Jahr mehr als verdreifacht. Nichts gegen
Befreiungen für besonders stromintensive Branchen, die nicht aus dem
Land getrieben werden sollen. Aber hier scheint dem
Wirtschaftsministerium der Sinn der Ausnahmen abhanden gekommen zu
sein. Autor: Reinhard Zweigler

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