Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zu Nebeneinkünfen von Politikern: „Kauf dir einen Politiker“

Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen
werfen: An diesen Spruch werden sich manche Abgeordnete, die in den
vergangenen Tagen mit dem Finger auf Peer Steinbrück zeigten, noch
unangenehm erinnern. Union und FDP ist es mit den Angriffen auf die
Nebeneinkünfte des SPD-Kanzlerkandidaten zwar geglückt, ihm den Start
in den Wahlkampf zu vermiesen. Doch nun kommt das Ärgernis mit den
lukrativen Zweitjobs wie ein Bumerang auf die Kritiker zurück. Und am
härtesten trifft er die Nörgler aus dem schwarz-gelben Lager, weil
dort zahlenmäßig die meisten Nebenjobber sitzen. Grundsätzlich ist
nichts Verwerfliches daran, dass ein Abgeordneter außerhalb des
Parlaments einer Tätigkeit nachgeht. Und für viele Aktivitäten gibt
es auch gute Gründe. Etwa bei Unternehmern oder Freiberuflern, die
den Einzug in den Bundestag geschafft haben. Schließlich kann niemand
erwarten, dass sie deshalb ihren Laden zusperren. Würde man solche
Hürden aufstellen, säßen im Parlament bald nur noch Lehrer und andere
Beamte. Auch gibt es eine Reihe von Abgeordneten, die besondere
Talente mitbringen: Sie geben vor TV-Kameras genauso wie vor
erlauchten Kongressen ein gutes Bild ab, weil sie die Zuhörer
faszinieren können. Deshalb werden sie regelmäßig eingeladen, ob zum
Talk bei Jauch oder Maischberger – die ein Vielfaches der Politiker
verdienen. Oder zum Unternehmerkongress, wo sie vor Millionären
sprechen. Wenn ein Politiker dafür ein Extra-Honorar kassieren kann,
dann liegt es zunächst an dem Marktwert, den er sich erarbeitet hat.
Ob er das Geld für sich behält, oder ob er es für einen
gemeinnützigen Zweck spendet, soll er mit seinem Gewissen
vereinbaren. Doch bei den Topverdienern stellt sich die Frage, ob bei
diesen Politikern ihr Mandat auch wirklich im Mittelpunkt der
Tätigkeit steht. Und ob sich mancher Abgeordnete durch besonders
großzügige Honorare beeinflussen lässt. Daher sollen die
Parlamentarier alle Einkünfte auf Heller und Pfennig auflisten. Und
sie müssen beantworten, von wem, und für welche Leistung genau sie
bezahlt wurden. Nur so können sich die Wähler ein verlässliches Bild
davon machen, ob ein Politiker Grenzen überschreitet. Nicht nur hier
besteht Handlungsbedarf. Immer schneller und immer häufiger wechseln
Minister oder Abgeordnete in die Wirtschaft. Ex-Kanzler Gerhard
Schröder, der einst den russischen Präsidenten Wladimir Putin
hofierte, verdiente sich schon kurz nach seinem politischen
Karriereende als hochbezahlter Erdgaslobbyist Moskaus.
Interessenskonflikte sind so programmiert. Dabei ist Schröder nur die
Spitze des Eisbergs. Die Politik muss sich klare und strenge Regeln
auferlegen. Sonst setzt sie sich selbst dem Vorwurf aus, dass sie
käuflich ist. Autor: Stefan Stark

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