Die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht
statt der ausgesetzten Wehrpflicht könnte man als das Thema im
politischen Sommerloch des Jahres 2018 betrachten. Zumindest liegt es
deutlich vor der Aktion der niedersächsischen Straßenbaubehörde, die
allen Ernstes die Dienste einer Elfenbeauftragten in Anspruch nahmen,
um die unfallträchtige A2 sicherer zu machen. In der politischen
Sommerpause schaffen es immer wieder skurrile Themen in die
Schlagzeilen der Presse und in die sozialen Medien. Tiere gehen
offenbar besonders gut. Man erinnere sich nur an den Kaiman Sammy,
der vor 24 Jahren in einem Baggersee verschwunden war und Deutschland
wochenlang beschäftigte. Der Killer-Wels Kuno soll vor 17 Jahren
sogar einen Dackel gemeuchelt haben. Hohes Erregungspotenzial hatte
erst recht der Bär Bruno, der kurz vor dem Fußball-WM-Märchensommer
2006 in Bayern auftauchte. Dass der „Problem-Bär“ (Originalton Edmund
Stoiber) schließlich abgeschossen wurde, wuchs sich fast zu einer
Staatsaffäre aus. Und wenn die erste Reihe der Politik größtenteils
im Urlaub weilt, bietet sich eine Chance für Hinterbänkler, nun
selbst einmal in den medialen Fokus zu rücken. Der einstige
CSU-Abgeordnete Dionys Jobst schlug vor 25 Jahren glatt vor, Mallorca
zum 17. deutschen Bundesland zu machen. Dass er das eigentlich im
Scherz gesagt hatte, tat der Empörung über den Vorschlag keinen
Abbruch. Eine höhere Steuer auf Currywürste, weil die so ungesund
seien, verlangte eine Grünen-Abgeordnete. Und manche Schnapsidee
feierte sogar Wiederauferstehung. Die einstige CSU-Landrätin Gabriele
Pauly plädierte vor elf Jahren für die Ehe auf Probe. Lebenslänglich
gebe es nur, wenn die Ehepartner sieben Jahre nach der Trauung die
Verlängerung beantragten. Vier Jahre nach Paulys Vorschlag machte das
selbe Thema noch einmal Schlagzeilen. Beliebte Themen in eher
nachrichtenarmen Zeiten sind auch die Urlaubsgewohnheiten von
Regierungsmitgliedern. So wie der verstorbene Alt-Kanzler Helmut Kohl
jedes Jahr zum Wolfgangsee reiste und dort mit der Familie für schöne
Bilder posierte, war für Angela Merkel eigentlich immer Wandern in
den Dolomiten angesagt. Oder vielleicht auf der Insel Ischia im Golf
von Neapel. Dass die Kanzlerin heuer nicht in Italien beim Wandern
gesichtet wurde, ließ sogleich Gerüchte über eine Ehekrise aufkommen.
Dabei zeigte sie sich mit Ehemann Joachim Sauer gleich bei drei
Opern-Events in Bayreuth, München und Salzburg. Klassik zur Erbauung
und als Gegenprogramm zum Stress in der Regierung, etwa zum
Dauerclinch mit CSU-Chef Horst Seehofer. Allerdings ließ das
Kanzleramt auch in diesem Jahr offiziell nichts über die Urlaubspläne
der Regierungschefin verlauten. Und dass sie wegen der Dürre ihren
Urlaub unterbrechen sollte, verlangte nur der Chef einer
Umweltorganisation. Regnen lassen, kann es Merkel auch nicht. In
dieser Woche taucht die Kanzlerin, wenn man so will, aus ihrem
zweieinhalbwöchigen Sommerloch wieder auf. Ihr Terminkalender ist
prall gefüllt. Ohnehin sind sie und die anderen Spitzen der Regierung
„ständig im Dienst“, über die modernen Kommunikationsmittel jederzeit
erreichbar. Zum Fall Özil – fast schon vergessen – äußerte sich
Merkel aus unbekannter Ferne. Das klassische Sommerloch, dass es
vielleicht noch vor zwei, drei Jahrzehnten gab, existiert in der Welt
von Facebook, Twitter und Co. eigentlich nicht mehr. Die Netzgemeinde
ist ständig aktiv, rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr. Und nicht nur
Donald Trump spielt auf dieser Klaviatur – und löst regelmäßig
Erregungswellen aus, quer über den Globus. In der heutigen, medial
schnelllebigen Zeit kann sich die Politik, können sich Politiker
eigentlich kein Sommerloch leisten, sie müssen ständig präsent,
ständig erreichbar und sprechfähig sein. Dabei wäre ab und zu mal
abschalten, mal offline sein, einfach mal in Ruhe nachdenken, so
wichtig.
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