Mittelbayerische Zeitung: „Mittelbayerische Zeitung“ (Regensburg) zum Wahlkampf

von Reinhard Zweigler, MZ

Der Wahlkampf in Deutschland schlägt immer neue Kapriolen. Der
ziemlich aussichtslose SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück machte auf
dem „Deutschlandfest“ seiner Partei sich selbst Mut als „Aufbruch-
und Gerechtigkeitskanzler“. Danach gab es die etwas angestaubten Hits
von Roland Kaiser. Steinbrück hat keine Chance, aber die nutzt er
jetzt tapfer, mit dem Mute der Verzweiflung. Angela Merkel dagegen,
die Regierungschefin mit dem aussichtsreichen Ticket auf eine dritte
Kanzlerschaft – trotz ihres derzeitigen Schlafwagenwahlkampfes –
lässt derweil schwarz-rote Spekulationen ins Kraut schießen. Das ist
zum einen eine demokratische Selbstverständlichkeit. Denn die
Möglichkeit einer erneuten Koalition mit der SPD kann die
CDU-Vorsitzende nun wirklich nicht völlig ausschließen. Zugleich aber
schlägt Merkel, indem sie Spekulationen über eine große Koalition
nährt, sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe: Sie demontiert
erstens ihren Herausforderer Steinbrück, der für eine große Koalition
unter Merkel keinesfalls bereit steht. Und zweitens verpasst sie dem
liberalen Partner einen Dämpfer. Sollte es mit der FDP nicht wieder
zum Regieren in Berlin reichen – Erst recht nach einem FDP-Desaster
in Bayern eine Woche vor der Bundestagswahl – dann ergibt sich für
die kühl rechnende Merkel eine zweite Machtoption. Und eine
Zweitstimmen-Kampagne für die Liberalen, die FDP dann wahrscheinlich
anzetteln würde, will Merkel schon gar nicht. Oft steckt hinter
Spekulationen, die man ins Kraut schießen lässt, eine Absicht.

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