Mittelbayerische Zeitung: Seehofer setzt mit Söder auf begrenztes Risiko Leitartikel zur Kabinettsumbildung in Bayern

Das Ergebnis der Seehoferschen Kabinettsrochade
ist respektabel, der große Wurf ist ihm damit aber nicht geglückt. Ob
er mit seiner neuen Mannschaft das Ruder für die CSU rechtzeitig vor
der Wahl 2013 herumreißen kann, hängt stark davon ab, wie rasch und
gut Finanzminister Markus Söder sein Schlüsselressort in den Griff
bekommt. Mit ihm steht und fällt die Reputation der Partei in den
Kreisen der Wirtschaft. Das Risiko einer Bauchlandung ist allerdings
gering. Die ehrgeizige fränkische Allzweckwaffe der CSU wird sich
fehlendes Wissen in Rekordgeschwindigkeit aneigenen – schließlich
strebt Söder nach Höherem. Das Finanzministerium ist in seiner
Karriereplanung nur ein Zwischenschritt. Zu den eindeutigen Gewinnern
in Seehofers Kabinett zählt der neue Umweltminister Marcel Huber. In
ihm erwächst Söder ein sanfter, aber ernst zu nehmender Gegenspieler.
Huber hat nun die Chance, öffentlich weit stärker in Erscheinung zu
treten, als bisher als Chef der Staatskanzlei. Treibt er die
Energiewende in Bayern erfolgreich voran, wird er zum wichtigen
Faktor im Machtgefüge der CSU. Seine ausgleichende Art kann bei
Widerständen gegen Windkraft oder Solarenergie von Vorteil sein. Nur
in Sachen Eigenvermarktung hat Huber Nachholbedarf. Ein bisschen mehr
Ellbogen braucht es dann doch. Eine gutes Händchen beweist Seehofer
bei der Wahl seines neuen Staatskanzleichefs. Der frühere Richter
Thomas Kreuzer hat bei der Aufklärung des Debakels um die Landesbank
als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses im Landtag
unerschütterliche Ruhe bewiesen und über Fraktionsgrenzen hinweg
Respekt erworben. Als früherer CSU-Fraktionsvize im Landtag ist er
gut vernetzt, hat enge Kontakte zum Koalitionspartner FDP. All das
zählt in der Staatskanzlei. Die Ernennung zum Kultusstaatssekretär im
Frühjahr war Verlegenheitslösung. Dort konnte er seine Talente nur
eingeschränkt ausspielen. Kreuzers Wechsel macht als schönen
Nebeneffekt den Platz frei für das Comeback von Bernd Sibler: 2008
war er der Koalitionsbildung mit der FDP zum Opfer gefallen. Die CSU
hatte unerwartet weniger Posten zu verteilen. Silbler meckerte nicht
groß, sondern packte weiter an – unter anderem als Vorsitzender des
Landtagsausschusses für Hochschule, Forschung und Kultur. Dafür wird
er nun belohnt. Die Kabinettsumbildung ist vollzogen. Zur Ruhe kommt
die CSU damit aber nicht. Egal, wie häufig Parteichef Seehofer das
zügige Verfahren betont: Die Verhandlungen samt öffentlicher
Begleitmusik hinterlassen einen chaotischen Eindruck. Trotz allen
Seehofer-Lobes: Sozialministerin Christine Haderthauer, die für
höhere Weihen gehandelt wurde, bleibt beschädigt zurück. Trotz aller
Demonstration von Gemeinsamkeiten: In der CSU-Landtagsfraktion gärt
neuer Unmut über Fraktionschef Georg Schmid – er habe sich zu wenig
für Nachwuchskräfte aus der Fraktion stark gemacht. Auch die
Oberpfälzer CSU-Bezirksvorsitzende und bayerische Europaministerin
Emilia Müller gerät unversehens zwischen die Fronten: Parteifreunde
werfen ihr vor, sie habe nicht ihren Einfluss geltend gemacht, um die
Oberpfälzer Karte zu spielen. Für Seehofer ist es das übliche
Hickhack rund um Kabinettsumbildungen. Tatsächlich aber verstärkt die
Rochade nach dem Fahrenschon-Abgang Missstimmungen, die schon lange
im Verborgenen schwelen.

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