Das Betreuungsgeld kommt – davon ist die
Bundesregierung überzeugt. Nur weil das Kabinett sich zu einem
Beschluss – oder besser gesagt, einem Deal – durchgerungen hat, sind
die Debatten über die zurecht umstrittene Familienleistung jedoch
längst nicht beendet. Es hagelt weiter Kritik – permanent und von
allen Seiten. Gestern wurden Zahlen der Organisation für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bekannt, die
das Betreuungsgeld wegen seiner negativen Wirkung auf die Integration
von Zuwanderern in ein negatives Licht stellen. So hält der
OECD-Studie zufolge das Betreuungsgeld in Norwegen Migrantinnen vom
Arbeitsmarkt und deren Kinder von Kitas fern. Und die Kritik des
CDU-Wirtschaftsrates zeigt, dass auch in der Union die Skeptiker noch
nicht überzeugt sind. Kein Wunder, denn die Angriffspunkte, die das
schwarz-gelbe Betreuungsgeldmodell bietet, sind vielfältig. Dass die
Wirtschaft ein Problem mit dem Betreuungsgeld hat, ist verständlich.
Der Fachkräftemangel wird sich in den nächsten Jahren verstärken,
jede (weibliche) Arbeitskraft wird gebraucht werden. Arbeitgeber, die
das Betreuungsgeld ablehnen, stehen allerdings auch selbst in der
Verantwortung und sind dazu aufgerufen, durch die Schaffung von
familienfreundlichen Arbeitszeiten, Eltern-Kind-Büros oder
Betriebskindergärten dafür zu sorgen, dass ihre Mitarbeiter Familie
und Beruf vereinbaren können. Natürlich wäre es verfehlt, dem
Arbeitsmarkt und den Bedürfnissen der Wirtschaft die persönliche
Familienplanung unterzuordnen. Doch auch die Frauen sollten ein
Interesse daran haben, trotz Mutterschaft erwerbstätig zu sein. Denn
je länger sie aus dem Beruf aussteigen, umso schwerer fällt ihnen der
Wiedereinstieg in Form einer Vollzeitbeschäftigung, die sie später
vor Altersarmut bewahren kann. Das Argument von Befürwortern, durch
das Betreuungsgeld die Wahlfreiheit der Familien zu erhöhen, ist ein
Scheinargument. Es sind vor allem die Frauen, die Familie und Beruf
vereinbaren möchten, aber momentan vergeblich nach Wahlfreiheit
suchen. So können viele Mütter ihrem berechtigten Interesse nach
Berufstätigkeit nicht nachgehen, weil nach wie vor massenhaft
Betreuungsplätze für ihre ein- bis dreijährigen Kinder fehlen – das
Bundesfamilienministerium geht von etwa 160 000 fehlenden
Kita-Plätzen aus. In Wirklichkeit dürften es noch viel mehr sein. Und
auch bei vielen Frauen, die ihre Kinder zu Hause erziehen möchten,
verpufft die versprochene Wahlfreiheit des Betreuungsgelds. Wenn die
Mütter aufgrund finanzieller Engpässe einer Beschäftigung nachgehen
müssen, werden auch 100 oder 150 Euro nichts an ihrer Situation
ändern. Dafür ist der Betrag zu niedrig. Nicht profitieren werden
auch Hartz-IV-Empfänger, da das Betreuungsgeld auf das
Arbeitslosengeld II angerechnet wird. Und so kommt der Zuschuss, für
den jährlich 1,2 Milliarden Euro im Haushalt veranschlagt sind, nur
einem sehr ausgewähltem Kreis von Eltern zugute – nämlich solchen,
die keine Unterstützung nötig haben. Das ist unsozial.
Nichtsdestotrotz wird das Betreuungsgeld kommen – schon allein
deswegen, weil sich Kanzlerin Merkel nicht die Blöße geben wird, ein
Vorhaben, das sie zur Chefsache erklärt hat, am Ende fallenzulassen.
Das aber ändert nichts an der Tatsache, dass die Leistung in ihrer
derzeitigen Form unausgegoren ist – und somit symptomatisch für die
Familien- und Frauenpolitik der schwarz-gelben Bundesregierung. Nicht
erst seit dem Deal „Betreuungsgeld gegen Zuschuss zur privaten
Pflegeversicherung“ ist klar: Die Maxime von Schwarz-Gelb ist nicht,
vernünftige Politik zu machen, sondern, ihr Klientel
zufriedenzustellen.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de