Gemeinsame Pressemitteilung
Umwelt- und Sportfischerverbände ziehen gegen wasserrechtliche
Erlaubnis für Europas größtes Steinkohlkraftwerk vor das OVG
Schleswig-Holstein – Genehmigung verstößt gegen nationales und
europäisches Umweltrecht – „Klimakiller-Kraftwerk“ nach Teilrückzug
eines Hauptinvestors endgültig stoppen
Die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH), der Landesverband
Schleswig-Holstein des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
(BUND) und der Landessportfischerverband Schleswig-Holstein (LSFV)
haben gestern (11. April 2012) beim Oberverwaltungsgericht
Schleswig-Holstein erneut Klage gegen eine weitere Genehmigung für
das in Brunsbüttel geplante Steinkohlekraftwerk der SüdWestStrom
StadtKraftWerk Brunsbüttel GmbH und Co. KG (SWS) eingereicht.
Mit ihrem Schritt greift die Klagegemeinschaft die im Dezember
2011 erteilte wasserrechtliche Erlaubnis des Kreises Dithmarschen für
die beiden Steinkohleblöcke (1.820 MW elektrische Leistung) von
SüdWestStrom an. Bei Realisierung der von SWS kalkulierten
Betriebsweise des Doppelblockkraftwerks würde die Anlage jährlich
über 10 Millionen Tonnen des Treibhausgases CO2 ausstoßen.
Gegen die Genehmigung hatten DUH, BUND und LSFV zunächst gemeinsam
Widerspruch erhoben, der Mitte März jedoch abschlägig beschieden
wurde. Vertreten wird die Klagegemeinschaft von dem Berliner
Fachanwalt Peter Kremer, der die Umweltverbände bereits in den
Verfahren gegen den Bebauungsplan und gegen die erste
immissionsschutzrechtliche Teilgenehmigung vertritt.
„Von Anfang an war dieser energie- und klimapolitische Sündenfall
auch unter naturschutzfachlichen Gesichtspunkten nicht vertretbar“,
betont Jürgen Quentin, Umweltjurist bei der DUH. „Unter den
inzwischen eingetretenen energiepolitischen Rahmenbedingungen sind
neue Kohleblöcke in Deutschland vollkommen anachronistisch geworden“.
Rüdiger Neukamm, Vizepräsident des LSFV, weist darauf hin, dass
„trotz der für das Kraftwerk vorgesehenen Schutzanlagen die
Kühlwasserentnahme stets mit hohen Verlusten an Fischen verbunden
ist. Dies liegt daran, dass insbesondere Fischeier, -larven und
Jungfische auch durch aufwändige technische Maßnahmen nicht
wirkungsvoll geschützt werden können.“
Der Landesgeschäftsführer des BUND Schleswig-Holstein, Hans-Jörg
Lüth, freut sich über den Beitritt des LSFV zur Klagegemeinschaft
gegen das Kohlekraftwerk: „Der Widerstand vor Ort wird immer stärker.
Mit dem Auslaufen des Optionskaufvertrages für das notwendige
Grundstück zum 31. Dezember 2012 wird dieser ökologischen und
ökonomischen Fehlplanung vollends die Grundlage entzogen. Die
Kraftwerksinvestoren sollten sich den Realitäten stellen und die
Planungen sofort einstellen.“
Inhaltlich und rechtlich geht es bei der Klage gegen die
wasserrechtliche Genehmigung um eine unzulässige Beeinträchtigung von
europarechtlich geschützten Tier- und Pflanzenarten in
Schutzgebieten. Der Betrieb des Kraftwerks bedroht nach Überzeugung
der Kläger seltene und vom Aussterben bedrohte Fischarten, aber auch
Speisefische wie Aal und Stint, die die Existenz der verbliebenen
Elbfischer sichern. Naturschutzrechtlich besonders relevant sind aus
Rechtsgründen die Auswirkungen auf eine seltene Fischart, den
Schnäpel (Coregonus oxyrhynchus). DUH und BUND haben gemeinsam mit
den Elbfischern nachgewiesen, dass sich dieser Fisch in der Elbe
wieder angesiedelt hat, nachdem er lange Zeit in Deutschland als
ausgestorben galt. Der Schnäpel unterliegt der höchsten
europarechtlichen Naturschutz-Kategorie, so dass bereits seine
mögliche Beeinträchtigung der wasserrechtlichen Genehmigungsfähigkeit
des Kraftwerks entgegensteht.
Europäische Rechtsvorgaben sehen zudem für Fische, Muscheln und
andere Gewässerlebewesen ambitionierte Quecksilber-Grenzwerte vor,
die in der Elbe bereits heute um ein Vielfaches überschritten werden.
Die DUH und der BUND haben schon 2010 mit einem Rechtsgutachten
nachgewiesen, dass diese Grenzwerte zwingend einzuhalten sind und
jedenfalls kein zusätzliches Quecksilber in die Elbe eingetragen
werden darf. Jeglicher zusätzliche Schwermetalleintrag in das
Gewässer verstoße deshalb gegen europäisches Recht.
Das umstrittene Kohlekraftwerk wird von einem Konsortium von
vornehmlich süddeutschen Stadtwerken und zu 36% von dem Schweizer
Energiekonzern Repower AG projektiert. Repower gehört zu 51% dem
Kanton Graubünden, in dem derzeit ein Volksbegehren mit dem Ziel
vorangetrieben wird, diese Investition aufzugeben.
Am 29. März hat die Repower AG auf ihrer
Jahresbilanz-Pressekonferenz erklärt, dass die bisherigen
Investitionen in das Kraftwerk (umgerechnet 5,8 Mio. Euro)
abgeschrieben würden, da die Realisierung des Projektes angesichts
der geänderten energiepolitischen Rahmenbedingungen in Deutschland in
absehbarer Zeit nicht mehr realistisch erscheine. Auch eine Reihe
beteiligter Stadtwerke hat der Kraftwerksgesellschaft bereits den
Rücken gekehrt oder erklärt, sich nicht an der Realisierung der
Kohleblöcke zu beteiligen.
Pressekontakt:
Jürgen Quentin, Leiter Anti-Kohle-Kampagne, Deutsche Umwelthilfe
e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Mobil: 0151 14563676, Tel.:
030 2400867-95, E-Mail: quentin@duh.de
Hans-Jörg Lüth, Landesgeschäftsführer, BUND Landesverband
Schleswig-Holstein e.V., Lerchenstraße 22, 24103 Kiel, Mobil: 0178
2321774, Tel.: 0431 66060-20, E-Mail: hans-joerg.lueth@bund-sh.de
Rüdiger Neukamm, Vizepräsident für Umwelt- und Tierschutz,
Landessportfischerverband Schleswig-Holstein e.V. Papenkamp 52, 24114
Kiel, Tel.: 0431 676818, E-Mail: neukamm@lsfv-sh.de