Neue OZ: Kommentar zu IWF / Strauss-Kahn

Franzosen unter Schock

Der Fall Strauss-Kahn ist leider kein Hollywood-Drama. In einer
Suite in New York soll der Weltbanker versucht haben, ein
Zimmermädchen zu vergewaltigen. Über Schuld oder Unschuld wird die
Justiz richten. Doch das ist teils Theorie. Allein der Vorwurf kommt
für den französischen Sozialisten einem politischen Todesstoß gleich.

Europas Regierungen betonen zwar die Unschuldsvermutung, doch die
Nachfolge-Debatte ist beim Internationalen Währungsfonds bereits
entbrannt. Zugleich haben Verschwörungstheoretiker Konjunktur:
Erpressung oder Intrige? Es sind wilde Spekulationen. Fest steht nur:
Strauss-Kahn ist in Handschellen abgeführt worden. Dieses Bild
schockiert die Franzosen. Zumal die US-Richter den Anfangsverdacht
erhärtet und eine Fluchtgefahr bei dem Mann sehen, den sich die
Sozialisten noch vor 72 Stunden als Nachfolger von Präsident Sarkozy
wünschten. Das angebliche Alibi des Weltbankers scheint dagegen wenig
überzeugend zu sein.

Strauss-Kahn wird nicht in den Élysée-Palast einziehen. Ihm könnte
eine lange Haft bevorstehen. Kein Wunder, dass er Star-Anwälte um
sich schart. Sie werden die Aussagen des Zimmermädchens torpedieren.
Der Frau droht eine Tortur. Sollten ihre Vorwürfe zutreffen, muss die
US-Justiz sie schützen. Vor allem: Von diesem Skandal darf niemals
die Botschaft ausgehen, dass Opfer sexueller Gewalt im Zweifel lieber
schweigen sollten. Das wäre eine Katastrophe.

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