Vom Netz genommen
Guido Westerwelle riss die FDP vor elf Jahren aus dem Treibsand
fortlaufender Wahlniederlagen. Er führte die FDP von Erfolg zu
Erfolg. Aber in der Politik sind die Erfolge vergessen, wenn sie
Vergangenheit sind. Nach dem Wahlfiasko vom Sonntag ist Westerwelle
als FDP-Vorsitzender endgültig ein Mann von gestern. Aber die FDP
räumt ihm eine Restlaufzeit ein, in Ermangelung anderer
Energieträger.
Der Frust entlädt sich bei Rainer Brüderle. Der geschwätzige
Wirtschaftsminister, der mit Verve den Atomfreund gab und dazu
Wahlkampf-Winkelzüge ausplauderte, nimmt sich nach 28 Jahren (!) als
rheinland-pfälzischer FDP- Chef selbst vom Netz, bevor es andere tun.
Als Parteivize sind seine Tage auch gezählt. Das Restrisiko ist bei
ihm zu groß geworden.
Westerwelle hält sich im Amt aus zwei Gründen: Der Machtmensch
will seinen Einfluss nicht preisgeben. Und die möglichen Nachfolger
Christian Lindner und Philipp Rösler schlagen das Erbe aus. Sie
wollen weder den Königsmörder geben noch den Sisyphus. Jener wurde
laut griechischer Sage dazu verurteilt, einen Felsblock auf einen
Berg hinaufzuwälzen. Ein Kraftakt dieses Ausmaßes ist nötig bei den
desolaten Liberalen. Was aber kommt? Westerwelle wiederholt
reflexhaft, er habe verstanden. Was er verstanden hat, sagt er nicht.
Mit Lippenbekenntnissen zur Atomwende treibt er die Erneuerung der
Partei nicht voran.
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