Neue OZ: Kommentar zu Prozesse / Kriminalität / Medien

Viele Schuldige

Es greift zu kurz, die Schuld für die Auswüchse des
Kachelmann-Prozesses nur bei den Medien zu suchen. Auch die
Beteiligten des Strafverfahrens haben gravierende Fehler gemacht.

Zur öffentlichen Schlammschlacht konnte es nur kommen, weil
Verteidiger wie Ankläger Zeitungen und Sender nach Kräften mit
klebrigen Details fütterten. Beide Seiten versuchten auf
unerträgliche Weise, das Verfahren in ihrem Sinne zu beeinflussen.
Die Staatsanwaltschaft, die eigentlich objektiv und mit besonderer
Rücksicht auf Persönlichkeitsrechte ermitteln muss, verlor ihren
gesetzlichen Auftrag frühzeitig aus den Augen. Dies offensichtlich in
dem Bestreben, mit der fragwürdigen Öffentlichkeitsarbeit der
Verteidiger Kachelmanns Schritt zu halten.

Dennoch dürfen auch die Medien nach dem Kachelmann-Debakel nicht
einfach zur Tagesordnung übergehen. Sie haben in diesem Verfahren
teilweise ein schlechtes Bild abgegeben. Kein Detail aus der
Intimsphäre der Betroffenen war zu schmutzig, um damit Auflage und
Quote zu machen. Notfalls sorgten fünfstellige Eurobeträge an
Zuträger dafür, dass der Informationsfluss nicht abriss. Hinzu kommt,
dass einige Journalisten sich dazu verstiegen, selbst über Kachelmann
zu richten. Für die einen war seine Schuld früh erwiesen, für die
anderen stand schnell das Gegenteil fest. Mit seriöser
Berichterstattung „frei von Vorurteilen“, wie sie der Pressekodex
verlangt, hatte das nicht mehr viel zu tun.

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