Titelkampf verloren
Unbescholten, angesehen, Freundin der Kanzlerin: Es sah so aus,
als könnte dieser Ministerin nichts passieren. Jetzt ist es doch
passiert. Annette Schavan, die so stolz ist auf ihre Meriten in der
Politik und vor allem in der Wissenschaft, steht vor dem Nichts. Sie
hat den Titelkampf verloren. Und sie wird nach der Doktorwürde auch
ihr Amt abgeben müssen. Eine Ministerin für Bildung und Forschung,
die fremde Gedanken ohne korrekte Kennzeichnung übernahm, ist nicht
vermittelbar.
Bundeskanzlerin Angela Merkel kann nicht länger ihre Hand
schützend über eine Parteikollegin halten, die vor der Bundestagswahl
2013 zum Risiko wird. Die Opposition hat den Bogen schon gespannt,
die Giftpfeile im Köcher sollen nicht nur Schavan, sondern vor allem
Merkel treffen. Der Kanzlerin bleibt jetzt nichts anderes als ein
schneller Schnitt. Wie kühl sie Gescheiterte abfertigen kann, ist
bekannt.
Merkel verlöre damit nach Karl-Theodor zu Guttenberg ein zweites
Kabinettsmitglied, das sich Pfusch in wissenschaftlicher Arbeit
vorwerfen lassen muss. Das wirft kein gutes Licht auf die Qualität
des politischen Personals. Allerdings bleibt festzuhalten: Schavans
Fehler sind klein im Vergleich zu der massiven Abkupferei des
bayerischen Möchtegern-Doktors. Menschlich ist es verständlich, dass
Schavan gerichtlich um Ehre und Doktortitel kämpft, politisch wird es
ihre miserable Lage nicht verändern.
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