Neue OZ: Kommentar zu SPD-Rentenpapier

Zerreißprobe

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Letztlich wird sich die SPD
nicht um die Antwort herumdrücken können, wie hoch oder niedrig
künftig das Rentenniveau sein soll. Sie steht damit vor einer
Zerreißprobe.

Die Positionen liegen weit auseinander. Es ist ein gewaltiger
Unterschied, ob ein Rentner 43 Prozent des durchschnittlichen
Nettolohns erhält oder 50 Prozent. Auch die von Parteichef Gabriel
vorgeschlagene Teilabkehr von der Rente mit 67 stellt Kritiker noch
nicht zufrieden. Folglich sind weitere Zugeständnisse an
Gewerkschafter und Parteilinke zu erwarten.

Dabei müssen allerdings Schmerzgrenzen eingehalten werden. Denn
die möglichen Kanzlerkandidaten Steinbrück und Steinmeier gehören zu
den Architekten der Agenda 2010. Und es schadet ihrem Ansehen, wenn
zentrale Projekte ihrer Reformen wie die Rente mit 67 allzu stark
korrigiert werden. Die Rentenproblematik ist mithin fest mit der
K-Frage verknüpft, der Frage, wer die Sozialdemokraten in die
Bundestagswahl 2013 führt.

Gabriels Job besteht nun in einem Spagat: Einerseits darf er die
Kandidaten nicht beschädigen. Andererseits benötigt die SPD dringend
stärkeren Rückenwind, das heißt eine Versöhnung mit den
Gewerkschaften und mit Wählern, die in Richtung der Linken
abgedriftet sind. Dass Gabriel sich darum bemüht, ist verständlich.
Hüten sollten er und seine Partei sich aber vor Versprechen, die sich
als unfinanzierbar herausstellen. In der Rentenpolitik geht so etwas
schneller, als man denkt.

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