Der Zug ist abgefahren
Der Glaskasten Elbphilharmonie in Hamburg, die protzigen
Hochhäuser der Havenwelten in Bremen oder die zu Recht verspottete
Kanzler-U-Bahn in Berlin: Die Liste verzichtbarer Bauprojekte, die am
Ende viel teurer wurden als geplant, ließe sich beliebig erweitern.
Obwohl der Steuerzahler die Rechnung begleicht, nimmt er Berichte
über ausufernde Kosten meist nur mit Achselzucken zur Kenntnis.
Im Falle von Stuttgart 21 ist dies anders. Egal, ob der Bahnhof am
Ende gebaut wird oder nicht: Einen Erfolg kann sich die rege
Protestbewegung auf die Fahnen schreiben. Sie hat die Aufmerksamkeit
auf das Phänomen der explodierenden Kosten bei öffentlichen
Bauaufträgen gelenkt.
Das Grundproblem ist, dass bei Prestige-Projekten weder die
Bauwirtschaft noch die Regierenden ein großes Interesse an ehrlichen
Kalkulationen haben. Die Zahlen werden schöngerechnet, damit das
Projekt beschlossen wird, die Wirtschaft Aufträge hat und die
verantwortlichen Politiker sich im Glanz der Immobilie sonnen können.
Letzteres will in Stuttgart schon lange niemand mehr. Die
Enthüllungen über frisierte Zahlen verstärken das Misstrauen
gegenüber dem Projekt weiter. Sie kommen für die Bahn zur Unzeit und
rücken die von ihr geplante Fortsetzung der Bauarbeiten ins
Zwielicht. Ändern wird das aber nichts. Die Bahn dürfte letztlich
davon profitieren, dass der Zug für Stuttgart 21 bereits abgefahren
ist: weil schon jetzt zu viele Steuergelder in der Erde versenkt
wurden.
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