Strategie unter Beschuss
Der Jahresbericht der UNO-Mission für Afghanistan liest sich wie
die Geschichte eines schrecklichen Scheiterns. So viele getötete
Zivilisten wie noch nie, mehr als 4300 Verletzte und eine Zunahme der
Entführungen um 83 Prozent legen nahe, dass die Schutztruppe ISAF
endgültig versagt hat im Kampf gegen den Terrorismus. Das Land am
Hindukusch, ein vom Krieg zerstörtes Gebiet ohne Hoffnung?
Das wäre bei allem Leid zu oberflächlich betrachtet. Drei Viertel
der meist durch Sprengfallen getöteten Zivilisten gehen auf das Konto
der Taliban und anderer radikal-islamischer Kräfte. Dagegen ist die
Opferzahl durch NATO-Soldaten deutlich zurückgegangen, bleibt aber
noch viel zu hoch. Die nach wie vor richtige Strategie, Afghanen
unbedingt zu schützen, wird von traurigen Fehlschlägen torpediert.
Der Tod von neun Kindern bei einem Angriff von US-Kampfhubschraubern
ist nur das jüngste Beispiel für eines der größten Probleme der
ausländischen Truppen: Reißen sie Afghanen aus dem Leben, empört das
die Menschen viel stärker als all die Opfer aus Fanatikerhand.
Angesichts der Frühjahrsoffensive gegen die Taliban, die
US-General David Petraeus angekündigt hat, muss für die Bevölkerung
das Schlimmste befürchtet werden. So erforderlich es ist, Terroristen
auszuschalten, so fundamental ist es, gezielter denn je
ausschließlich den Feind anzugreifen. Das Dilemma: Im Gefecht bleibt
vieles graue Theorie.
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