Neue OZ: Machtpolitischer Schachzug

Da hätte sich die FDP über ihren
9,9-Prozent-Erfolg freuen und die Wunden pflegen können, die Rainer
Brüderle, Dirk Niebel und Co. ihrem Chef Philipp Rösler und der
Partei in den Tagen zuvor zugefügt hatten. Aber mitnichten, die
Liberalen setzen ihre Personaldebatte nahtlos fort. Nur ist Rösler
dieses Mal nicht der Getriebene. Er nutzt die Gunst des Augenblicks
nach dem Wahlerfolg und zwingt seinen Widersacher Brüderle zu einer
Entscheidung, die jede Personaldiskussion auf dem außerordentlichen
Parteitag überflüssig macht: Brüderle nimmt Rösler nicht das Amt des
Vorsitzenden, weil ihm dazu der Mumm fehlt, muss aber die
Spitzenkandidatur zur Bundestagswahl antreten. Ein machtpolitischer
Schachzug, den die wenigsten Rösler nach den letzten Wochen zugetraut
hätten. Derweil bastelt die CDU nach der fünften in Folge verlorenen
Landtagswahl an der Strategie für den Urnengang auf Bundesebene. Die
Lehre aus Niedersachsen vom Sonntag ist, dass sie sich nicht auf die
FDP als Mehrheitsbeschaffer verlassen kann. Liberale ohne eigenes
Profil kosten die CDU in der Summe nur Stimmen, schaden der Union in
der Gesamtwahrnehmung vielleicht sogar. Angela Merkel muss ihre
Partei zunächst mit den Themen der Zukunft wie soziale Gerechtigkeit
und Bildung stark machen, daneben auf die inhaltliche
Selbsterneuerung der FDP hoffen. Ansonsten bleibt dann nur der Blick
zu anderen hübschen Töchtern.

Ralf Geisenhanslüke

Pressekontakt:
Neue Osnabrücker Zeitung
Redaktion

Telefon: +49(0)541/310 207