Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Annette Schavans Doktorarbeit Scharfrichter ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN

Es werden die Messer gewetzt. Das ist nicht
wörtlich zu nehmen: Die Rede ist allein von geistigen Scharfrichtern.
Professoren melden sich zu Wort und wissen schon ganz genau, dass
Bildungsministerin Annette Schavan ihren Doktortitel wird zurückgeben
müssen. Und auch unter den eigenen CDU-Parteifreunden rümpfen etliche
die Nase: Eine Bildungsministerin müsse über jeden moralischen
Zweifel erhaben sein, belehrt etwa der Chef der CDU-Studenten. Eine
Bildungsministerin ist aber vor allem ein Mensch, für den die
Unschuldsvermutung gilt, möchte man den Eiferern zurufen. Das
Zeitalter der Inquisition ist vorbei und sollte auch nicht durch die
Hintertür des Internets wieder eingeführt werden. Selbst im Internet
ist die Frage, wie stark Schavan vor 32 Jahren falsch zitiert hat,
offenbar hoch umstritten. Mit der in großen Teilen abgekupferten
Dissertation eines Karl-Theodor zu Guttenberg scheint Schavans
Doktorarbeit nicht vergleichbar zu sein, heißt es. Bis die
Universität Düsseldorf zu einem Urteil gelangt, sollte man sich vor
vorauseilendem Rufmord hüten. Dass der Jura-Professor Wolfgang Löwer
nun bei Plagiatsvergehen für eine Verjährungsfrist plädiert, ist eine
wohltuend sympathische, weil so menschliche Wortmeldung. Da hebt sich
einer ab von den vielen Scharfrichtern.

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