Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar
Bundeswehrreform
Die große Chance
ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN

Es hat doch sein Gutes, dass das Kabinett von
Kanzlerin Merkel nicht nur aus Nachwuchskräften besteht. Wenn es eine
Chance gibt, die Herkulesaufgabe Bundeswehrreform zu stemmen, dann
liegt sie in den Händen von Thomas de Maizière. Der 57-jährige
Offizierssohn und Politprofi verfügt jedenfalls über das richtige
Rüstzeug: Erfahrung, Sorgfalt und Härte. Das Ziel ist groß. Eine
deutlich kleinere Armee soll international noch mehr Verantwortung
übernehmen können. Die Bundeswehr ist eine Armee im Einsatz. Die
Beschränkung auf die konventionelle Landesverteidigung ist
Vergangenheit – schon weil die größten Gefahren für den Weltfrieden
wahrlich nicht in der Nachbarschaft lauern, sondern etwa in der
Existenz zerfallender Staaten und im internationalen Terrorismus.
Dass seine Größe und seine Bedeutung Deutschland dazu verpflichten,
sich gemeinsam mit den Bündnispartnern für die Durchsetzung des
Völkerrechts zu engagieren, ist ein unpopuläres Thema. Aber es ist
selbst dann richtig, wenn wenn keine ökonomischen Interessen berührt
sind, stellt de Maizière zutreffend fest. Noch steht alles am Anfang.
Aber die vielen heiklen Punkte sind benannt. Die Bundeswehr hat zu
viele Häuptlinge, zu viele Stäbe und zu wenige Indianer. Die Reform
sieht Einsparungen in allen Hierarchien und sogar den Wegfall einer
ganzen Kommandoebene vor. Der Widerstand dagegen wird nicht knapp
ausfallen. Und dass die Struktur verändert, gleichzeitig gespart und
Freiwillige gewonnen werden müssen, macht die Sache nicht einfacher.
Alles auf einmal schafft auch de Maizière nicht. Erst im Herbst soll
die Frage der Standorte geklärt werden. In Berlin nennt man den
Verteidigungsminister „Merkels Besten“. Wenn er die Bundeswehrreform
durchsetzen kann, empfiehlt er sich endgültig für Höheres: für die
Rolle von Merkels Kronprinz.

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