Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Große Koalition müht sich Klein-Klein reicht nicht ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN

Es mag ja von Vorteil sein, dass sich die
Unterhändler von SPD und CDU und CSU allesamt menschlich angenehm und
sympathisch finden. Doch Koalitionen werden nicht wegen der netten
Atmosphäre geschlossen. Und große Koalitionen werden vor allem
deshalb geschlossen, weil sie mit ihrer erdrückenden Mehrheit in der
Lage sind, Großes zu bewegen. Das gerät momentan aus dem Blick. Die
schwarz-roten Arbeitsgruppen scheinen sich teilweise kaum vom Fleck
zu bewegen, und wirklich Großes haben offenbar nur noch die wenigsten
im Sinn. Man darf große Koalitionen natürlich nicht überhöhen, aber
zu viel Klein-Klein untergräbt die Akzeptanz einer solchen
Elefantenhochzeit. So wäre etwa Schwarz-Rot wie geschaffen dafür, das
unsinnige Kooperationsverbot im Bildungsbereich zu kippen. Der Bund
sollte Länder und Kommunen beim Aufbau von Ganztagsschulen und der
Unterstützung von Brennpunktschulen nicht alleine lassen müssen. Die
Bildungs-Arbeitsgruppe hat sich auf dieses Ziel nicht einigen können.
Und es ist schon fast ein Skandal, dass bei der Verkehrsinfrastruktur
beinahe nur noch über den Lieblingsvorschlag der CSU, die Pkw-Maut
für ausländische Kraftfahrer, geredet wird. Selbst wenn sie käme,
wäre sie vermutlich ein bürokratisches Monster und würde nur einen
Bruchteil der 2,7 Milliarden Euro in die Kasse spülen, die der
Städtetag als erforderlich für das Instandhaltungsprogramm der
Kommunen ausgerechnet hat. Es gibt viel zu tun. Deutschland braucht
mehr Chancen für Kinder aus bildungsfernen Schichten und eine
Infrastruktur, die Wohlstand befördert und nicht abwürgt. Und wenn
der Arbeitsmarkt etwas gerechter wäre und die Energiewende planbarer,
dann machte das Ganze vielleicht doch einen Sinn. Aber eine große
Koalition, die sich mit Nebensächlichkeiten beschäftigt, braucht
niemand.

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