Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Haushaltsdebatte im Bundestag Für Merkel wird es brenzlig ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN

Selten hat man Angela Merkel im Bundestag so
temperamentvoll reden gehört. Vielleicht weil sie sich ertappt
fühlte. Denn SPD-Chef Sigmar Gabriel legte den Finger zweifellos in
die richtige Wunde. Deutschland tritt in der EU als Sparkommissar
auf. Doch die Regierung hält sich nicht an die eigenen Grundsätze.
2012 will der Bundesfinanzminister trotz Schuldenbremse und
rekordverdächtiger Steuereinnahmen die Schuldenaufnahme nicht etwa
zurückführen sondern gegenüber 2011 um vier Milliarden Euro erhöhen.
Das passt nicht zu Deutschlands Rolle auf europäischer Bühne. Die
südlichen Krisenstaaten sollen sogar im Abschwung noch möglichst viel
einsparen, lautet der Ratschlag aus Berlin. Dass sich die anderen
EU-Staaten freuen, wenn wenigstens Deutschland noch Wachstum erzeugt,
ist ein schwaches Argument, das Angela Merkel ins Feld führt. Denn
dass die Freude der anderen begrenzt ist, zeigt die neu entflammte
Debatte über die Eurobonds. Merkel bekommt ja nicht nur von der
Opposition Gegenwind. Auch in Brüssel wird der Wind rauer. Merkel
lehnt Eurobonds nach wie vor entschieden ab. Innenpolitisch ist das
verständlich. Die FDP und auch Teile der Union mauern bei diesem
Thema. Aber die Krise dehnt sich aus. Alle Brüsseler
Gipfelbeschlüsse, die so hoch gejubelt wurden, haben bisher keine
wirkliche Entlastung bewirkt. Gewiss, Berlusconi ist weg, Merkel
zeigt Führung und die Schuldenbremse gewinnt Freunde in ganz Europa.
Aber die Krise pocht trotz alledem auch an die deutsche Tür. Wenn
Merkels Stabilitätskurs nicht bald zum Erfolg führt, wird es
brenzlig. Dann bleiben nur Eurobonds oder vermehrte Anleihekäufe
durch die EZB als Hilfsmittel übrig. Die Kanzlerin wird sich wohl
bald entscheiden müssen: Für größere Solidarität mit den
Euro-Staaten. Und damit gegen die eigene Koalition.

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