Neues Deutschland: zur Berlinale

Heute beginnen die Internationalen Berliner
Filmfestspiele. Glamourfeier trifft auf Gewissensforschung. Immer
wieder seelenzwickend: der Widerspruch zwischen dem Brodeln der Welt
und dem Perlen jenes Leichten und Seichten, das solchen Festivals
eigen bliebt. Film ist im Grunde nichts weiter als eine geschickte,
reizvolle, fantasiegetriebene Verteilung von Licht und Schatten –
aber welch eine Kunst, mit diesem technischen Wechsel-Spiel zum
Erzähler tollster Geschichten zu werden. Wichtig, dies
Unterscheidungsvermögen zwischen Hell und Dunkel, Aufklarung und
Finsternis – das gilt nicht nur für den Film. Auch fürs Leben. Denn
jeden Morgen betreten wir den Drehort, der Alltag heißt. Wer führt
Regie? Sind wir Protagonisten oder Statisten? Keiner hat ein
Drehbuch, das ihm genau voraussagt, ob die heutigen Stunden sich zur
Komödie oder Tragödie neigen. Filmfestival? Weit weg für den, der
keine Tickets besitzt. Aber doch ein guter Anlass – um sich bewusster
so zu verhalten, dass man nicht trüb denken muss, man sei im falschen
Film. Lachen wir also jeder Überwachungskamera einladend entgegen.
Amüsieren wir uns über das große Festival der Selbstdarsteller, das
um herum stattfindet. Lassen wir uns nicht von den Schein-Werfern
täuschen, deren Märkte und Masken uns umzingeln. Probieren wir den
Tag mit weniger Schminke als gestern. Wagen wir im Hexenkessel der
Lautstärken ein paar Minuten – Stummfilm. Und kehren wir nicht mehr
so viel unter den Teppich unseres Lebens, Auf dass er nicht rot werde
– vor Scham. Hoffen wir auf ein Happy End!

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